Priorisierung medizinischer Hilfeleistung
Der medizinische Terminus „Triage“ gibt einem Schreckgespenst der Corona-Pandemie einen Namen. Was angesichts der aktuellen Krise als nahezu undenkbares Worst-Case-Szenario erscheint, ist in Katastrophenfällen jedoch gelebte Praxis. Wenn bei Großlagen mit vielen Verletzten zunächst noch zu wenige Rettungskräfte vor Ort sind, ist die Priorisierung medizinischer Hilfeleistung unerlässlich. Eine Aufgabe, bei der künftig auch Drohnen mehr als „nur“ optische Aufklärung leisten sollen.
Von Jan Schönberg
Je schneller sich Rettungskräfte im Einsatzfall ein Bild der Lage machen können, desto früher können adäquate Maßnahmen zur Bewältigung der anstehenden Aufgaben eingeleitet werden. Im Ernstfall kann es auf jede Sekunde ankommen, um Leben zu retten und mögliche Folgeschäden zu verhindern. Daher setzen viele „First Responder“ einige Hoffnungen in Kundschafter-Drohnen. Bei Eingang eines Notrufs in der Leitstelle sollen diese unbemannten Flugsysteme automatisiert Richtung Unfallort aufbrechen, um bereits erste visuelle Daten zu Art und Ausmaß des Einsatzszenarios zu übermitteln, während die Rettungskräfte noch auf dem Weg sind. Einen Schritt weiter geht das, was ein Konsortium unter Leitung der Docs in Clouds GmbH aus Aachen derzeit entwickelt. Im Projekt Falke – nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Forschungsvorhaben zum Thema Drohnenabwehr – wird eine teilautomatisierte Suche und Sichtung von Verletzten am Einsatzort entwickelt.
Kontaktlose Vitalparameterdetektion
Bevor die Patientinnen und Patienten versorgt und abtransportiert werden, sind diese zunächst nach der Schwere ihrer Verletzungen zu kategorisieren, um die erforderlichen Maßnahmen zu koordinieren. Ein enormer emotionaler Stress für die Einsatzkräfte, die unter dem Eindruck eines Unfallszenarios und gegebenenfalls zahlreicher Schwer- und Schwerstverletzter zum Teil gravierende Entscheidungen treffen müssen. Hier adäquate technische Systeme zu entwickeln, die Katastrophenmediziner bei ihrer Arbeit unterstützen, wäre sowohl für Retter als auch Gerettete von Vorteil. Dafür wurde eine VTOL-Drohne von flyXdrive mit Video-, Thermal- und Radarsensoren ausgestattet, um neben einem Lagebild auch eine kontaktlose Vitalparameterdetektion durchzuführen.
Eine besondere technische Neuerung stellt der an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) entwickelte, hochauflösende Radarsensor dar, mit dem anhand der Körpervibration der Herzschlag und die Atmung rekonstruiert werden können. „Technisch ist diese Messung äußerst anspruchsvoll, da es sich bei Bewegung des menschlichen Körpers aufgrund von Herzschlag und Atmung um sehr kleine Auslenkungen handelt, aber gleichzeitig die Flugplattform starken Bewegungen ausgesetzt ist“, erklärt Prof. Dr. Nils Pohl, Inhaber des Lehrstuhls Integrierte Systeme an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der RUB.
Farbliche Codierung
Darüber hinaus verfügt die Falke-Drohne über eine konventionelle Kamera zur Detektion von Farbveränderungen und Bewegungen sowie die Wärmebildkamera zur Erkennung von Temperaturunterschieden. Ein Algorithmus interpretiert die gewonnenen Informationen und erstellt eine Übersichtskarte mit einer farblichen Codierung aller Verletzten: grün (leicht verletzt), gelb (mittelschwer verletzt), rot (schwer verletzt). Das soll es unnötig machen, die Einsatzstelle abzulaufen und nach Verletzten zu durchsuchen. Die Kategorisierung wird dabei von einem Notarzt mittels telemedizinischer Anbindung über eine gesicherte Datenleitung überprüft und gegebenenfalls korrigiert. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 2,3 Millionen Euro geförderte Projekt läuft noch bis Februar 2022.
Foto: Sebastian Kehr
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