Projekt INTELWI: Der Flugzeugflügel der Zukunft ist intelligent
Flugzeug-Tragflächen haben ihre Form und Größe im Laufe der letzten 60 Jahre auf den ersten Blick kaum verändert. Dabei spielen sie eine große Rolle auf dem Weg zur klimaverträglichen Luftfahrt. Im Projekt INTELWI (Intelligent Wing) untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam mit weiteren Projektbeteiligten aus Wissenschaft und Industrie, wie ein effizienter Flugzeugflügel der Zukunft aussehen müsste. Das Ergebnis: ein intelligenter, hochgestreckter Flugzeugflügel, der bis zu fünf Prozent Kraftstoff einsparen könnte. Das Verbundvorhaben wurde im Rahmen des Luftfahrtforschungsprogramms vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert.
Betrachtet man die momentan gängigen Flugzeugflügel wird schnell deutlich, dass sie effizienter wären, wenn sie eine größere Spannweite hätten. Aber eine Vergrößerung der Spannweite macht die Tragflächen anfälliger für im Flug auftretende Böen. Solch eine Tragfläche müsste also stabiler konstruiert werden. Dadurch wäre sie wiederum deutlich schwerer. Genau dafür haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun eine Lösung gefunden.
Hochgestreckt, biegeweich, intelligent und ultra-effizient
„Unser Ziel war es, einen Flügel zu entwerfen, der eine höhere Streckung hat, also deutlich schlanker ist, als bisherige Tragflächen“, erklärt Dr. Tobias Wunderlich vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik. „Wir haben mehrere Flügel-Modelle entworfen und in Simulationen untersucht, um herauszufinden, wie die Lasten, die auf die Tragfläche einwirken, gemindert werden und trotz einer deutlich größeren Durchbiegung weniger Widerstand aufweisen können“, führt der Leiter des DLR-Teilprojekts aus. Intelligente Steuerungssysteme sollen dabei helfen und selbstständig auf äußere Einflüsse wie Manöver und Böen mit Lastabminderungen reagieren. Ein Beispiel: Die Forschenden scannen mit einem Lidar, also einem laserbasierten optischen Messsystem, die Luft vor dem Flugzeug und senden Signale an die Flugregelung. Bei einer Böe könnten sie dann sofort die Steuerflächen ausschlagen, um die Lasten zu reduzieren und den Passagierkomfort zu verbessern. Die Steuerflächen werden auch verwendet, um den Widerstand, der bei erhöhter Fluggeschwindigkeit oder unterschiedlichen Flughöhen auftritt, zu minimieren. “Adaptiver Flügel“ heißt so etwas, weil die Flügelwölbung automatisch an den Flugzustand angepasst wird.
Insgesamt haben sieben DLR-Institute und weitere Projektbeteiligte, unter anderem Airbus als Gesamtprojektverantwortlicher, die maximal erreichbare Leistungsfähigkeit – Masse, Widerstand, Auftrieb, Fehlerfälle und Wartungsintervalle betreffend – eines hochgestreckten, biegeweichen, intelligenten Flügels analysiert. Einen besonderen Fokus legten die Forschenden dabei auf die Wechselwirkung zwischen den beteiligten Fachdisziplinen. So entstand ein besseres Verständnis des Gesamtsystems. Sie verwendeten hochgenaue und schnelle Simulationsmethoden, um den Entwicklungsprozess eines zukünftigen Tragflügels zu verbessern und zu beschleunigen und um damit die Digitalisierung fachübergreifend voranzutreiben. Nach dreieinhalbjähriger Laufzeit ist das Projekt aus dem Luftfahrtforschungsprogramms des Bundes (LuFo VI) beendet.
Fünf Prozent Treibstoff-Ersparnis
Erste Auswertungen liegen bereits vor. „Letztendlich haben wir uns für den Entwurf eines Flügels mit einer Streckung von 12,4 entschieden. Dieser Flügel eines Langstreckenverkehrsflugzeugs schien sehr vielversprechend“, so Wunderlich. Man müsse ihn sich 30 Prozent schlanker vorstellen als üblich. Ausgehend von diesem schlanken Flügel fertigten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen detaillierten Entwurf des Gesamt-Flugzeugs nach aktuellem Stand der Technik und stellten diesen den Verbundpartnern als Referenzflugzeug zur Verfügung. Der Flügel wurde dann mit den neuen Technologien ausgestattet – also mit multifunktionalen Steuerflächen, zentralen und dezentralen Steuerungs- und Reglersystemen, lokalen Sensoren und erweiterten Funktionen des Flugreglers zur Böen- und Manöverlastreduktion – und genau untersucht. „Wann diese Technologien serienreif sind, kann man heute noch nicht genau sagen“, sagt der Luft- und Raumfahrtingenieur. Aber es zeigt sich bereits jetzt, wie effektiv die Nutzung der Technologien des adaptiven Flügels ist. Die Verwendung der Steuerflächen zur Reduzierung des Luftwiderstands im Reiseflug bringt eine Ersparnis von ein bis zwei Prozent beim Kerosinverbrauch. Bei den Manövern könnten die Lasten, die auf die Tragfläche wirken, durch gezielte Steuerflächenausschläge an der Hinterkante so reduziert werden, dass sich im Vergleich zum Referenzflugzeug in Kombination mit den Verbesserungen im Reiseflug vier Prozent Kraftstoff einsparen ließen. Und das, obwohl schon das Referenzflugzeug, mit dem die Daten verglichen wurden, bereits deutlich nachhaltiger und ökonomischer war, als es heutige Verkehrsflugzeuge sind.
Eins ist sicher: Ein solcher „intelligenter Flügel“ wird als konsequenter nächster Entwicklungsschritt für zukünftige Verkehrsflugzeuge betrachtet. Er wird entscheidend dazu beitragen, die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit von Gesamtverbundleiter Airbus als Flugzeughersteller und den Systemanbietern als Zuliefererindustrie zu sichern. Außerdem wird er die Leistungsfähigkeit steigern und damit den Kraftstoffverbrauch zukünftiger Flugzeuge deutlich verringern. „Natürlich gibt es noch viele offene Fragen, aber die untersuchten Technologien haben alle Aussicht, bei künftigen Flugzeugen zum Einsatz zu kommen. Wir erwarten, dass die Flügel neuer Maschinen lastadaptive Flügel mit deutlich höherer Streckung sein werden“, zeigt sich Wunderlich gespannt.
Am Projekt INTELWI sind folgende DLR-Institute beteiligt:
Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik, Institut für Flugsystemtechnik, Institut für Systemarchitekturen in der Luftfahrt, Institut für Systemdynamik und Regelungstechnik, Institut für Systemleichtbau, Institut für Instandhaltung und Modifikation, Institut für Aeroelastik
Weitere Projektbeteiligte sind:
Airbus, Airbus Defense and Space, Liebherr Aerospace, Diehl Aerospace, FFT GmbH, Pace AG, Technische Universität Berlin, Technische Universität Braunschweig, Technische Universität Hamburg, Technische Universität München, Universität Stuttgart
Im Drones PR-Portal erscheinen Nachrichten und Meldungen von Unternehmen aus der Drone-Economy. Für die Inhalte der Pressemitteilungen sind die jeweiligen Unternehmen verantwortlich.