Akustische Detektion
Im Ernstfall zählt jede Sekunde. Nach Erdbeben oder Lawinen müssen Rettungskräfte schnellstmöglich Verschüttete finden und aus ihrer Notlage befreien. Dass Drohnen helfen können, einen optischen Eindruck der Schäden zu bekommen und beispielsweise mit Thermalkameras Opfer aufspüren, ist bekannt. Neu ist jedoch ein System für die akustische Detektion von verschütteten Personen, das Macarena Varela entwickelt hat, Wissenschaftlerin am Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE.
Von Jan Schönberg
Das Aufsehen war groß, als Macarena Varela beim 180. Treffen der „Acoustical Society of America“ ihre Technik für die akustische Detektion von Menschen in Not vorstellte. Nicht nur die Fachgemeinschaft und verschiedene Rettungsorganisationen, auch Medien weltweit zeigten sich beeindruckt. (Lese-Tipp: Altitude Angel und Inmarsat entwickeln Pop-up UTM) Der Forschungsansatz von Macarena Varela und ihrem Kollegen Wulf-Dieter Wirth erweitert die visuelle Identifikation um eine Komponente zur Ortung von Personen mithilfe akustischer Sensoren. Um im Notfall jedoch nicht nur die Schallereignisse zu detektieren, sondern die Hilfesuchenden vor allem auch schnell orten zu können, ordneten die FKIE-Wissenschaftler 32 kleine, aber sehr leistungsstarke MEMS-Mikrophone unterhalb der Drohne in der sogenannten „Crow’s Nest Array“-Formation (CNA) an. In Kombination mit modernen Signalverarbeitungstechniken („Beamforming“) kann so präzise und winkelgenau nachverfolgt werden, woher der Schall kommt. „Bisher haben wir sehr erfolgreich Tests auf dem offenen Feld durchgeführt. Nach der Identifikation des Hilferufs hat die Drohne nur wenige Sekunden gebraucht, um den Standort des potenziellen Opfers zu bestimmen. Unser System kann impulsive Geräusche präzise erkennen und lokalisieren“, erklärt Macarena Varela.
Hilferuf oder Freudenschrei?
Damit das System funktionieren und einen tatsächlichen Zeitgewinn ermöglichen kann, muss die Sensorik zwischen Hilferufen oder anderen menschlichen Signalen sowie den Geräuschen unterscheiden, die in der Natur vorkommen. Gleichzeitig müssen Lärmemissionen der Drohne sowie weitere Umgebungsgeräusche wie zum Beispiel Hubschrauberlärm oder Fahrgeräusche von Rettungsfahrzeugen herausgefiltert werden, um die Schreie der Hilfesuchenden positiv zu detektieren.
Mithilfe Künstlicher Intelligenz erlernte der Prototyp des Systems neben der Unterdrückung von Umgebungsgeräuschen außerdem Lautmuster wie zum Beispiel Schreien und Klatschen, also Töne, mit denen Menschen in Notsituationen versuchen, auf sich aufmerksam zu machen. Voraussetzung hierfür war eine mit sogenannten „impulsiven“ menschlichen Geräuschen gefüllte Datenbank, die die Wissenschaftler zuvor mit selbst aufgenommenen Hilferufen und Signalen gefüttert hatten.
Lokalisierung der Signale
Die enorm positive Resonanz motiviert Varela und Wirth, die Technik weiter zu entwickeln. Durch eine Verdopplung der eingesetzten Mikrofone soll die akustische Detektion optimiert werden, damit das Spektrum der erkannten Geräusche verbreitert wird. Auch die Klassifizierung sowie Lokalisierung der Signale sollen weiter verbessert werden, damit die Standortdaten von Opfern an Notfallteams übermittelt werden können, denen dann zukünftig die genauen Positionen verschütteter Personen auf Tablets oder anderen mobilen Endgeräte angezeigt werden könnte.
Fotos: FKIE