Bordautonomer Betrieb
Gemeinsam mit externen Partnern hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt seit Anfang 2018 an der Entwicklung eines Luftraummanagements und Verkehrssteuerungskonzepts für die Integration unbemannter Luftfahrtsysteme in einen gemeinsam mit anderen Teilnehmern genutzten Luftraum gearbeitet. Ende 2021 wurde die dritte und letzte Phase des Projekts City-ATM abgeschlossen. Dabei wurde am Nationalen Erprobungszentrum für unbemannte Luftfahrtsysteme in Cochstedt demonstriert, wie ein bordautonomer Betrieb von Drohnen auch in dichtem Verkehr möglich sein kann.
Von Jan Schönberg
Die Integration von Drohnen in den unteren Luftraum, in dem neben statischen Flugverbotszonen auch temporäre Ereignisse sowie gegebenenfalls umfangreicher Flugbetrieb berücksichtigt werden müssen, ist eine zentrale Zukunftsaufgabe. Und ein entscheidender Baustein für weiteres Wachstum der Drone-Economy. Um das Fundament für ein praktikables Air Traffic Management (ATM) zu legen, das den Einsatz von „unmanned aircraft vehicles“ auch über dicht besiedelten städtischen Ballungsgebieten und den dort zu antizipierenden Ereignissen und Hindernissen ermöglicht, wurde das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt koordinierte Projekt City-ATM in verschiedene Phasen unterteilt. Zunächst ging es darum, wie sich Drohnen untereinander erkennen und gegebenenfalls ausweichen können. Entsprechende Flugversuche fanden im Frühjahr 2019 an der Köhlbrandbrücke im Hamburger Hafen statt. Anschließend wurden Möglichkeiten evaluiert, wie unbemannte Luftfahrtsysteme im BVLOS-Betrieb auf plötzlich und während laufender Missionen auftretende Gefahrensituationen – zum Beispiel situative Flugverbotszonen – reagieren können. (Lese-Tipp: Neue Informationen zum City-ATM-Projekt)
Forschungsdrohne
In der letzten Phase des Projekts wurden Verkehrsszenarien getestet, in denen eine große Anzahl unterschiedlich ausgestatteter Drohnen gemeinsam und konfliktfrei in einem Luftraum betrieben werden. Was bereits bei Betriebsszenarien mit Missionskontrolle durch eine Bodenstation keine triviale Angelegenheit ist, wird bei Abriss der Funkverbindung zwischen Drohne und Kontrollzentrum zu einem akuten Problem. Um für solche Extremsituationen Lösungen anzubieten, wurde die Forschungsdrohne DexHawk (Foto) mit neuen Softwaremodulen zur Führung und Konfliktvermeidung ausgestattet. Ende 2021 wurde bei Tests am Nationalen Erprobungszentrum für unbemannte Luftfahrtsysteme in Cochstedt nun erfolgreich demonstriert, dass mit der eingesetzten Technik ein bordautonomer Betrieb im dichten Verkehr möglich ist.
Dafür muss die Drohne nicht nur statische und bewegliche Objekte in ihrer Umgebung erkennen können. Sie muss auch ihre eigene Position antizipieren, die Flugbahn selbständig berechnen und im Bedarfsfall umplanen können. Dafür erhielt DexHawk ein nach DLR-Angaben weltweit einzigartiges 4D-Führungssystem. Dieses erlaubt ihr, einer Flugbahn präzise in den drei räumlichen Dimensionen und auch zeitlich (vierte Dimension) zu folgen. So „weiß“ die Drohne im Voraus, wann sie wo sein wird und kann zukünftige gefährliche Annäherungen mit umgebendem Flugverkehr frühzeitig erkennen sowie sicher und effizient vermeiden. Informationen über den gleichzeitig stattfindenden Flugverkehr, wie beispielsweise andere unbemannte Systeme oder Rettungshubschrauber, erhält die Drohne im City-ATM-System von einem Tracking-Server der Deutschen Flugsicherung DFS. Dieser sammelt aktuelle Verkehrsdaten, wertet sie aus und stellt sie zur Verfügung. Dieses Luftlagebild bildet die Grundlage dafür, dass bordautonomer Betrieb ohne aktive Verbindung zur Missionskontrolle überhaupt denkbar ist.
Hinderniserkennung
Doch muss die Drohne situativ und selbständig von der vorher geplanten Route abweichen, können nicht nur bewegliche sondern auch statische Hindernisse auf der Flugbahn auftauchen. „Andere Hindernisse, wie zum Beispiel Bäume, Masten oder Hügel werden von der Drohne über Lidar-Sensoren detektiert, die stetig den Raum vor der Drohne mit 3D-Laser abtasten“, erklärt Dr. Alexander Kuenz vom DLR-Institut für Flugführung. „Ein Softwaremodul zur Konflikterkennung und -vermeidung an Bord plant den Flugweg der Drohne bei Bedarf um Hindernisse herum.“
Um das City-ATM-System in einem möglichst dichten Verkehrsszenario zu testen, musste die Forschungsdrohne DexHawk ihre Mission selbständig in einem Mix aus realem und virtuellem Drohnenverkehr abfliegen und dabei Konflikte mit dem umgebenden Verkehr erkennen sowie selbständig vermeiden. Was in Cochstedt erfolgreich praktisch umgesetzt wurde, trieben die Wissenschaftler im Labor auf die Spitze. Um zu untersuchen, welche Menge an Drohnen mit dem entwickelten City-ATM-System in einem begrenzten Gebiet realistisch möglich wäre, wurde in Laborversuchen ein besonders komplexes Szenario mit schwierigen Bedingungen simuliert, in dem jede Drohne in eine andere Richtung flog und ein Mindestabstand von 20 Metern zwischen den Drohnen gefordert war. Dabei kamen virtuell die gleichen Softwaremodule zur Konflikterkennung und -vermeidung wie in den Flugversuchen zum Einsatz. Es zeigte sich, dass mit den entwickelten Systemen aus City-ATM Flugszenarien möglich sind, bei denen in einem Quadratkilometer auf gleicher Höhe bis zu 85 Drohnen gleichzeitig sicher und effizient operieren können.
Foto: DLR
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