Eher Farce als Fortschritt?
Nur wenige Themen rund um die Nutzung von Drohnen wurden und werden so emotional diskutiert wie der sogenannte „Drohnenführerschein“. War die Einführung der deutschen Kenntnisnachweise vor ein paar Jahren noch grundsätzlich umstritten, so ging es bei den seit dem 31.12.2020 implementierten europäischen Lizenzen vor allem um das Prozedere und die konkreten Prüfungsinhalte. Besonders der Kompetenznachweis A1/A3 zog rasch Kritik auf sich. Viel zu leicht und daher ungeeignet, fiel das Urteil so mancher Kommentatoren verheerend aus. An entscheidender Stelle in die inhaltliche Konzeptionierung der Prüfungsfragen involviert war Henrik Lührs, Managing Director von Aircademy. Das Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahren durch didaktische Konzepte und Schulungsmaterialien für die bemannte Luftfahrt einen Namen gemacht und - basierend auf den verbindlichen europäischen Vorgaben und den Vorstellungen von Austro Control sowie LBA - die von Austro Control und Luftfahrt-Bundesamt verwendeten Online-Verfahren zum Erwerb des Kompetenznachweises A1/A3 inhaltlich entwickelt. Wie sieht man dort die Kritik am Kompetenznachweis? Ist das Verfahren tatsächlich eher Farce als Fortschritt? Drones fragt nach.
Von Jan Schönberg
Drones: Mit Ihrer Aircademy haben Sie sich mit Ihren Ausbildungsangeboten für die bemannte Luftfahrt einen Namen gemacht. Wie sind Sie diesbezüglich eigentlich „auf die Drohne“ gekommen?
Henrik Lührs: Wir haben im Sommer 2019 Anfragen von einigen europäischen Luftfahrtbehörden zur Erstellung der Onlinekurse und Prüfungsaufgaben für die offene Kategorie bekommen, mit denen wir bereits im Bereich der bemannten Luftfahrt zusammengearbeitet hatten. Daraufhin haben wir uns näher mit dem Thema befasst und im Herbst 2019 die Entscheidung getroffen, unser Angebot auf unbemannte Luftfahrzeuge auszudehnen. Die offene Kategorie soll dabei der Anfang sein.
Drohnen sind Luftraumteilnehmer und müssen sich daher an viele Regelungen halten, die auch für die bemannte Luftfahrt gelten – es gibt aber auch einige Spezifika. Wie schwer war es für Sie als Unternehmen, sich in diese neue Sparte der Fliegerei einzuarbeiten?
Das ist im Prinzip ein normaler Vorgang bei allen unseren Ausbildungsmaterialien. Es gibt einen gemeinsamen Nenner und eine Reihe Spezifika. Auch im UAS-Bereich konnten wir teilweise auf bestehendes Material zurückgreifen und dieses entsprechend anpassen – beispielsweise in den Fachbereichen Menschliches Leistungsvermögen, Meteorologie und Aerodynamik. Insbesondere in Bereichen wie Technik oder Betriebliche Verfahren haben wir hingegen Experten verpflichtet und Vieles neu erstellt. Besonders wichtig sind in allen Bereichen dann am Ende die Review-Verfahren, an denen sich wiederum verschiedene Luftfahrtexperten und auch Luftfahrtbehörden beteiligen.
Kurz nachdem die EU-Kommission die europäischen Drohnenrichtlinien verabschiedet hatte, haben Sie von der österreichischen Flugsicherung Austro Control den Auftrag erhalten, die Fragenkataloge für die österreichische Online-Prüfung zum Kompetenznachweis A1/A3 zu entwickeln. Warum gerade Aircademy und nicht beispielsweise ein österreichisches Unternehmen?
Das kann letztlich nur Austro Control beantworten; wir haben uns natürlich über das Vertrauen gefreut, das man uns damit entgegenbringt. Ich denke, dass verschiedene Faktoren dazu beigetragen haben. Zunächst haben wir bereits viel Erfahrung in der Erstellung von Lehrunterlagen und Aufgabendatenbanken auf Basis europäischer und internationaler Regelungen. Unsere internen Entwicklungsstandards ähneln hier stark derjenigen der EASA. Des Weiteren arbeiten wir bereits seit vielen Jahren mit europäischen und außereuropäischen Luftfahrtbehörden zusammen und kennen Anforderungen und Abläufe. Darüber hinaus verfügen wir über ein großes Netzwerk an Experten und Bestandsmaterial, auf das wir zurückgreifen können, und haben mit der europäischen Fragendatenbank für Privatpiloten läuft bereits seit Jahren ein recht erfolgreiches europäisches Projekt.
Während man in Österreich sehr schnell die Entwicklung des Prüfungsverfahrens in die Wege geleitet hat, scheint man in Deutschland das Ganze vergleichsweise langsam angegangen zu sein. Denn die Anfrage vom Luftfahrt-Bundesamt, ob man nicht dieselben Prüfungsaufgaben wie Österreich verwenden könne, kam ja relativ spät, oder?
Die erste Anfrage kam tatsächlich gar nicht so viel später als diejenige von Austro Control. Der große Unterschied für uns war im Vorfeld, dass die Österreicher mit ihrem „Drone Competency Center“ von Anfang an ein sehr kompetentes Team bereitgestellt haben, mit dem wir inhaltlich bis heute ausgesprochen konstruktiv zusammenarbeiten. Das hat Vieles erleichtert und wir konnten recht zielgerichtet nach vorne arbeiten. Das LBA hatte sich inhaltlich in der Entwicklungsphase eher zurückgehalten, was vermutlich daran lag, dass deren Kompetenzteam noch nicht formiert war.
Zu Beginn des Jahres gab es von einigen Seiten die Kritik, dass die Prüfung für den „Drohnenführerschein“ zu leicht sei, um einen positiven Effekt auf die Sicherheit im Luftraum zu haben. Wie bewerten Sie diese Kritik?
Die Kritik kann man tatsächlich anbringen und sie war auch zu erwarten. Allerdings hat sie, so wie ich sie wahrgenommen habe, sehr kurz gegriffen. Die Frage nach dem Schwierigkeitsgrad und dem Inhalt einer Theorieprüfung ist immer wieder Diskussionsstoff, und das ist auch gut so. In diesem Fall war es besonders komplex, sodass ich nicht alle Erwägungen anführen kann. Zunächst ist wichtig: Sowohl das LBA als auch Austro Control gehen mit ihren Kursen und Prüfungen über das Geforderte hinaus. Wir haben uns sehr dafür eingesetzt, dass insbesondere die Onlinekurse umfassender sind als durch die AMCs [Acceptable Means of Compliance, Anm. d. Red.] der EASA gefordert und das wurde auch entsprechend umgesetzt.
Die europäischen Vorgaben lassen also einen Ermessensspielraum?
Der Schwierigkeitsgrad war tatsächlich von Beginn an ein großes Thema, das allerdings auch nur teilweise beeinflussbar war. In den Vorab-Diskussionen hatten wir eine riesige Bandbreite: Von der Ingenieurin auf der einen Seite bis zum Marketingexperten auf der anderen Seite. Da haben sie vollkommen unterschiedliche Ansprüche und Argumentationen. Hinzu kommen die extrem vielfältigen Anwendungsbereiche, insgesamt ein im Vergleich zur bemannten Luftfahrt wesentlich heterogeneres Feld. Häufig sieht jeder seinen konkreten Anwendungsbereich, vernachlässigt aber die anderen. Hinzu kommt, dass die Prüfungen europaweit einen gleichen Standard haben sollen, auch hier muss also eine Harmonisierung gewährleistet sein. Wie schwer es ist, die Mitgliedstaaten auf einen Nenner zu bekommen, können wir täglich in den Nachrichten verfolgen – das ist auch hier nicht anders gewesen.
Bewirken die Prüfungsverfahren in Deutschland und Österreich denn nun aus Ihrer Sicht das, was sie bewirken sollen?
Letztlich denke ich, dass wir durch die Prüfung schon einen positiven Sicherheitseffekt haben, allein schon durch die Beschäftigung mit der Thematik. Dass man sich auch „irgendwie durchklicken“ kann, während man seine persönliche Aufnahme- und Lernbereitschaft fast auf Null stellt, funktioniert zwar vermutlich auch. Allerdings sollte man sich dann auch fragen, ob das ein verantwortliches Handeln ist und man geeignet ist, eine Drohne zu fliegen. Hier wird auch ein Stück auf Eigenverantwortung gesetzt, was man durchaus positiv sehen kann. Oft sind es auch Leute, die auf der einen Seite die „Regulierungswut“ der EASA oder anderer Institutionen bemängeln, die nun in diesem Fall über zu wenig Regulierung und zu viel Eigenverantwortung klagen. Das sollte man bei der Einordnung der Kritik berücksichtigen. Nichtsdestotrotz bin auch ich persönlich durchaus eher jemand, der noch „Luft nach oben“ sieht. Die Prüfung sowie die Kurse werden sich in den kommenden Monaten und Jahren anpassen – sowohl auf Basis von veränderten Regeln als auch durch das Einbeziehen von Feedback. Konstruktiv geäußerte Kritik wird also auch Berücksichtigung finden.
Mit Ihrem „Complete UAS-Guide – A1/A3 und A2“ bieten Sie ein umfassendes Lehrbuch an, in dem unter anderem auch alle Fragen und Antworten der Online-Prüfung für den Kompetenznachweis A1/A3 enthalten sind. Allerdings ist ja auch über die LBA-Website ein kostenloses Online-Training durchführbar, um für die theoretische Prüfung zu lernen. Wozu brauche ich dann eigentlich Ihr Buch?
Zunächst ist ein „echtes“ Buch aus meiner Sicht ein völlig anderes Lernmedium als html-Fließtext. Selbst bei gleichem Inhalt bietet ein Buch denjenigen immer viel mehr Möglichkeiten, die sich intensiv mit einem Thema beschäftigen, eigene Gedanken hinzufügen und Passagen markieren möchten. Sowohl digital als auch als gedruckte Version, wie bieten jedenfalls beides an. Inhaltlich enthält der „Complete UAS-Guide“ darüber hinaus sowohl die Inhalte der A1/A3- als auch der A2-Ausbildung. Selbst wenn man die A2-Prüfung nicht absolvieren möchte, ist ein Mehr an Wissen durchaus nicht verkehrt. Die Übungsaufgaben sind zudem auch nicht 1:1 die Prüfungsaufgaben – die übrigens stetig aktualisiert werden – , sondern bewusst als offene Fragen ohne Antwortmöglichkeiten formuliert. Auch hier geht es wieder um eine Beschäftigung mit dem Text und ein Vertiefen des Wissens. Und nicht um ein „schnelles Durchklicken“.