Entdecke die Möglichkeiten
Die Leistungsfähigkeit moderner Drohnenkameras wurde im Laufe der vergangenen Jahre immer größer und die Sensortechnik ist an einem Punkt angekommen, an dem fast schon ein Maximum an Bildqualität erreicht zu sein scheint. Kein Wunder, dass UAS zum Beispiel in der professionellen Landschaftsfotografie mittlerweile im Grunde zur Standardausrüstung gehören. Doch wann ist ihr Einsatz eigentlich sinnvoll – und wann sollte weiterhin eher auf die klassische Perspektive vom Boden aus zurückgegriffen werden?
Von Jan Schönberg
Zunächst einmal ist Fotografie ein Handwerk, das bestimmten Regeln folgt. Zu den eher technischen Komponenten gesellen sich dann auch noch künstlerische Aspekte. Wer beides in Einklang bringt, kann mit herausragenden Bildern punkten. Dazu kommt natürlich der individuelle Stil von Fotografin oder Fotograf, der bei der Auswahl des Equipments fraglos eine Rolle spielt. Genauso individuell wie die Handschrift ist daher auch die Antwort auf die Frage, wann Drohnen im Vergleich zu bodengestützter Bildgebung punkten können. Meine Art der Landschaftsfotografie beispielsweise ist darauf ausgelegt, bei bestmöglichen Lichtverhältnissen entspannt, mit Ruhe, Genuss und voller Konzentration am optimalen Bild zu arbeiten. Dies ist natürlich mit Spiegelreflexkamera und Stativ etwas einfacher möglich, als mit dem Kopf über dem Display auf Fernsteuerung oder Tablet. Zumal das Spiel mit Blende und Belichtungszeit bei den meisten Fotodrohnen – verglichen mit klassischen Kameras – eher limitiert ist.
Sorgsam entscheiden
Wenn das Motiv nicht zwingend ein Verfahren vorgibt, ist man also gut beraten, sich situativ zu entscheiden und sich auf eine Technik zu konzentrieren, anstatt unter Zeitdruck durch möglichst viele unterschiedliche Settings zu hetzen. Darüber hinaus gibt es aber natürlich Momente, Motive und Gegebenheiten, in denen sich die Luftbildperspektive aufdrängt. Beispielsweise dann, wenn das Licht nicht perfekt ist. Vor ein paar Monaten war ich beispielsweise auf einer Foto-Reise in der kasachischen Steppe unterwegs. Mein Hauptthema waren Fotos von welligen Erosionsformen im frühen Morgenlicht. Und auch wenn die zunächst entstandenen Aufnahmen vom Boden aus dem entsprachen, was ich mir vorgestellt hatte, brachte ich anschließend noch einmal meine DJI Mini 4 in Position, um mit senkrecht nach unten gerichteter Kamera eine zusätzliche Dimension zu erschließen.
Die Strukturen, die vom Boden aus noch wellig und gewissermaßen dreidimensional wirkten, präsentierten sich der senkrecht nach unten gerichteten Kamera nun wie Adern auf einer alten, von einem langen und arbeitsreichen Leben gezeichneten Männerhand. Eine Bildwirkung, die terrestrisch nie hätte entstehen können. Dieses Beispiel zeigt sehr anschaulich, wie sehr die Perspektive über den optischen Effekt entscheidet. Und wie groß der Einfluss von Drohnen auf die Landschaftsfotografie sein kann. Nicht zuletzt auch bei der Motivwahl. So konnte ich beispielsweise bei der Suche nach Salzmustern auf einem ausgetrockneten See viel Zeit und Mühe sparen, in dem mit der Drohne die besten Spots gesucht wurden, die dann tatsächlich besucht und abgelichtet wurden.
Mit oder ohne Filter?
Wer sich intensiver mit Luftbildaufnahmen beschäftigt, der wird zwangsläufig ein größeres Augenmerk auf die Möglichkeiten und Herausforderungen richten, die damit verbunden sind. So ist im Postprocessing zum Beispiel das so genannte Stacken, also das Aneinanderfügen oder auch Übereinanderlegen mehrerer Aufnahmen zu einem Panoramabild, eine Herausforderung, wenn bewegliche Elemente zu berücksichtigen sind. Beispielsweise die Muster auf der Meeresoberfläche. Um sich an dieser Stelle das Leben leichter zu machen, ist der Einsatz von ND-Filtern eine gute Möglichkeit. Diese Neutraldichtefilter sorgen für eine gleichmäßige Abdunklung und ermöglichen es, mit Verschlusszeiten von 1/8 bis 1 Sekunde das Wasser soweit zu „beruhigen“, dass Wellen optisch weicher und die Panoramas somit einfacher zu erstellen sind.
Polfilter wiederum sollten mit Bedacht genutzt werden. Bei einer Kleinbild-äquivalenten Brennweite von 24 Millimeter führen diese durch den weiten Bildwinkel gerade bei Aufnahmen mit blauem Himmel im Motiv zu einer teilweisen Depolarisation, was sich einem dunkelblauen Oval im Himmel zeigt. Bei Filmaufnahmen und Schwenks fällt der Wechsel der Lichtrichtung und die damit verbundene ungleichmäßige Sättigung und Helligkeit durch diesen Polfilter-Effekt auf. Verlaufsfilter wiederum setze ich entsprechend des gewünschten Motivkontrasts ein. An der Spiegel-Reflex-Ausrüstung lassen sie sich in verschiedenen Dichten und Übergängen perfekt an das jeweilige Motiv anpassen und mit Hilfe eines Filterhalters ganz individuell verschieben. Bei den Aufsteckfiltern für Drohnenkameras ist das natürlich nicht möglich und zudem ist der visuelle Horizont, sprich der Übergang von Dunkel zu Neutral, in der Bildmitte angelegt. Das ist optisch zwar eher langweilig und entspricht nicht meinem Verständnis von ästhetischer Bildaufteilung. Aber will man das Sensorpotenzial der Kamera tatsächlich ausreizen, muss man eben gewisse Kompromisse eingehen. Denn ist der Motivkontrast höher als der Dynamikumfang des Kamerasensors, gehen unweigerlich entweder Tonwerte in den hellen Bildbereichen verloren oder in den dunklen. Für diese dunklen Bereiche ist im Histogramm nun mal sehr wenig Bandbreite reserviert. Eine Aufhellung im Postprocessing führt unweigerlich zu Qualitätsverlusten des Materials. Im Zweifel kann man sich an dieser Stelle auch mit einer Belichtungsreihe behelfen und daraus später am Computer ein Hochkontrastbild (HDR = High Dynamic Range) berechnen lassen. Doch wie bereits eingangs erwähnt ist es dann eben am Ende doch immer eine individuelle Frage, wie viel Aufwand für ein bestimmtes Motiv beziehungsweise eine bestimmte Perspektive sinnvoll sind. Oder ob die Drohne dann nicht lieber am Boden bleiben sollte.
Text und Foto: Raik Krotofil