Achim Friedl und Sabrina John

Interview: UAV DACH-Vertreter zum U-space-Konzept der EASA

Neben der Verordnung (EU) 2019/947 – besser bekannt als europäische Drohnenverordnung – prägt vor allem das Schlagwort U-space die Debatte, wenn es um die künftigen regulatorischen Rahmenbedingungen für den UAV-Betrieb innerhalb der EU geht. Doch was genau kommt da eigentlich auf die Drone-Economy zu? Wir haben bei Achim Friedl, Vorsitzender des Vorstands des Branchenverbands UAV DACH, und Sabrina John, Geschäftsführerin der GLVI Gesellschaft für Luftverkehrsinformatik und Leiterin der UAV DACH-Arbeitsgruppe „Integration Luftraum“, nachgefragt.

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Inwiefern ist das U-space-Konzept, wie es von der EASA mit der Opinion 01/2020 vorgelegt wurde dafür geeignet, unbemannte Systeme sicher in den allgemeinen Luftraum zu integrieren und gleichzeitig der Drone-Economy weitere Wachstumsimpulse zu geben?
Achim Friedl: Die Idee von U-space ist es, den Einsatz von Unmanned Aircraft Systems (UAS) in größerer Anzahl, in komplexen Operationen oder außerhalb der Sichtweite im gleichen Luftraum, der auch von der bemannten Luftfahrt genutzt wird, unter Wahrung der Leichtigkeit des Luftverkehrs und der Sicherheit im Luftraum zu ermöglichen. Der UAV DACH e.V. befürwortet ein derartiges Konzept und wird den Gesetzgeber darauf hinweisen, dass weder für die bemannte noch für die unbemannte Luftfahrt unverhältnismäßige Verfahren geschaffen werden dürfen.

Sabrina John: Das U-space-Konzept der EASA stellt einen ersten Schritt zu einer sicheren Integration von unbemannten Luftfahrzeugen in den Luftraum dar. So bietet U-space die Möglichkeit eines kooperativen und koordinierten Flugbetriebes. Voraussetzung ist jedoch, dass sich alle Luftfahrzeuge entsprechend kenntlich machen und dadurch eine gegenseitigen „Sichtbarkeit“ von bemannter und unbemannter Luftfahrt besteht. Allerdings bietet die Opinion 01/2020 aus Sicht des UAV DACH nur eingeschränkte Wachstumsimpulse für die Drone-Economy. So ist das Vorhandensein einer „UAS Flight Authorisation“ Voraussetzung für das Fliegen mit UAS im U-space-Luftraum. Der U-space Service Provider (USSP) soll den Antrag auf Flight Authorisation zum einen dahingehend prüfen, ob gegen etwaige Luftraumbeschränkungen verstoßen wird. Zum anderen soll der USSP mittels „strategic de-confliction“ dafür Sorge tragen, dass auf Basis des eingereichten „Flugplans“ keine Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern entstehen. Das könnte allerdings bedeuten, dass sobald für einen gegebenen Luftraum zu einer gegebenen Zeit ein Flugplan vorliegt, ein anderer UAS-Betreiber, der im gleichen Luftraum fliegen möchte, keine Flight Authorisation erhält. Dies stellt somit kein skalierbares Konzept dar und ist demnach für das Marktwachstum wenig förderlich.

Was sind aus Sicht des UAV DACH die wichtigsten Vorteile, die der U-space mit sich bringen würde?
Sabrina John: Ein wesentlicher Vorteil von U-space liegt in der Transparenz. Die Einrichtung eines U-space-Luftraumes zeigt an, dass in diesem Luftraum vermehrt mit UAS zu rechnen ist. Durch den Traffic Information Service soll den UAS-Betreibern ein Luftlagebild zur Verfügung gestellt werden, das sie in die Lage versetzen soll, anderen Verkehr zu erkennen und diesem auszuweichen. Dies soll nicht nur den unbemannten Verkehr betreffen, sondern für den Betreiber soll auch relevanter bemannter Verkehr zur Anzeige gebracht werden.

Welche Hauptkritikpunkte bestehen aus Sicht des UAV DACH am U-space-Konzept der EASA?
Sabrina John: In Deutschland gilt der Grundsatz, dass die Benutzung des Luftraums frei ist. Mit der U-space Opinion wird dieser Grundsatz allerdings gefährdet. Denn künftig soll überall dort, wo ein U-space-Luftraum eingerichtet wird, kein UAS ohne vorherige Autorisierung fliegen dürfen. Das betrifft nicht nur Flüge in der Kategorie „specific“ oder „certified“, sondern insbesondere auch die Kategorie „open“. Das heißt die Freiheiten, die mit der neuen EU-Verordnung für weniger risikobehaftete und eher lokale Anwendungen geschaffen werden sollten, werden hiermit wieder deutlich eingeschränkt. So müssen Flüge in der Kategorie „open“ ebenfalls bei einem U-space Service Provider angemeldet und autorisiert werden. Und der UAS-Betreiber muss gegebenenfalls auch dafür bezahlen. Ausgenommen sind hier lediglich die ganz kleinen UAS bis 250 Gramm.

Achim Friedl: Der UAV DACH e.V. wird sich auf jeden Fall dafür einsetzen, dass UAS-Operations in der „open category“ auch in einem U-space-Luftraum ohne Einholung einer Betriebsfreigabe möglich sind. Das geht, weil der Fernpilot sein UAS in Sichtweite fliegen muss und so die Möglichkeit besteht, anderen Luftraumnutzern Vorrang einzuräumen, das heißt auszuweichen oder den Flug zu beenden. Ein weiterer Punkt stimmt mich bedenklich. Der aktuelle Entwurf einer U-space Regulation enthält zwar grundsätzliche Ausführungen zur „Konstruktion“ eines U-space-Luftraumes und den Aufgaben von „Providern“. Flugbetriebsverfahren und Flugregeln kommen aus meiner Sicht viel zu kurz.

In der EASA Opinion 01/2020 wird eine Annahme des U-space-Konzept für das vierte Quartal diesen Jahres projektiert. Inwiefern ist das aus Ihrer Sicht (noch) realistisch und wäre es aus Sicht des UAV DACH gut, wenn hier zeitnah die weiteren Schritte in den europäischen Verfahren eingeleitet werden könnten?
Achim Friedl: Zu begrüßen ist immer, wenn der Erlass von Regelungen nicht deutlich hinter den technischen und flugbetrieblichen Möglichkeiten zurückbleibt. Insofern sollte es mit einer europäischen Verordnung zum U-space schon zügig weiter gehen. Momentan wird der Entwurf auf der Basis einer Vielzahl von Kommentaren und Vorschlägen erneut überarbeitet. Eine Diskussion im EASA-Committee ist für Ende Oktober 2020 geplant. Ich gehe nicht davon aus, dass die U-space Verordnung noch in diesem Jahr in Kraft treten wird.

Wäre es aus Ihrer Sicht wünschenswert, in bemannter und unbemannter Luftfahrt auf komplett einheitliche technische Positionserkennungs- und Kollisionswarnsysteme zu setzen, um die Gefahr von Unfällen zu minimieren? Und wie könnte so etwas aussehen?
Sabrina John: In Anbetracht dessen, dass bemannte und unbemannte Luftfahrzeuge sich sehr stark unterscheiden, ist die Bereitstellung einheitlicher technischer Positionserkennungs- und Kollisionswarnsysteme nicht wahrscheinlich. Wichtig ist jedoch, dass die Interoperabilität zwischen eingesetzten Technologien gewährleistet ist. Hierfür ist maßgeblich, dass standardisierte Schnittstellen geschaffen werden, die es ermöglichen, dass unterschiedliche Systeme von unterschiedlichen Systemherstellern miteinander kommunizieren können.

Ein Knackpunkt jeglicher Regelung sind die Ausweichregelungen: Das aus der bemannten Luftfahrt bekannte „See & Avoid“ ist mit Blick auf UAS nicht anwendbar. Wenn es zu einem „Detect & Avoid“ kommt, inwiefern könnten und sollten Drohnen dann innerhalb eines U-space-Gebiets Vorrang vor bemannten Luftraumteilnehmern haben?
Achim Friedl: Grundsätzlich soll in einem U-space-Luftraum gelten, dass der bemannten Luftfahrt Vorrang eingeräumt wird und dass UAS immer ausweichen. Im Weiteren ist aber eine Rechtsgüterabwägung vorzunehmen. Einem unbemannten Luftfahrzeug muss dann Vorrang gegenüber der bemannten Luftfahrt eingeräumt werden, wenn es zu lebenswichtigen Zwecken eingesetzt wird. Beispielsweise dann, wenn eine Drohne gerade ein Leben rettet, indem sie einen Defibrillator zu einem Patienten mit Herzstillstand transportiert oder wenn sie eine Mission zur Verhinderung einer Katastrophe erfüllt.

Während U-space Service Provider bestimmte Dienstleistungen im Bereich Flugsicherung für UAV-Betreiber anbieten sollen, bliebe die Regelung des bemannten Flugbetriebs Aufgabe der klassischen Flugsicherheitsagenturen. Wäre es nicht effizienter und letztlich auch sicherer, wenn es gemeinsame Flugsicherungsinstitutionen für die bemannte und die unbemannte Luftfahrt gäbe?
Sabrina John: Der Wunsch, alles aus einer Hand zu beziehen, ist verständlich, aber nicht sonderlich realistisch. Die Flugsicherung der bemannten Luftfahrt beruht auf einem grundlegend anderen System mit anderen Bedürfnissen, als es für den unbemannten Verkehr der Fall ist. In der bemannten Luftfahrt kommen große, aber verhältnismäßig wenige Luftfahrzeuge zum Einsatz – vor COVID-19 waren weltweit maximal 15.000 Flugzeuge gleichzeitig in der Luft. Sie werden von einer verhältnismäßig geringen Anzahl Fluglotsen sicher durch den Luftraum geführt. Ein weiterer Punkt ist, dass bemannte Luftfahrzeuge mit ganz wenigen Ausnahmen nur auf bestimmten Plätzen starten und landen dürfen. Dem gegenüber stehen Drohnen, die – abgesehen von Flugtaxis – relativ klein sind und daher problemlos überall starten und landen können. Hinzu kommt, dass in der Prognose bald mehr unbemannte als bemannte Luftfahrzeuge in urbanen Gebieten unterwegs sein werden. In unserer heutigen Zeit stellen nicht mehr Airbus oder Boeing die meisten Luftfahrzeuge her, sondern DJI.

Nehmen die Einsatzgebiete von Drohnen weiter zu – insbesondere im Hinblick auf den Transportsektor – ist es denkbar, dass UAS eine hohe Verkehrsdichte im Luftraum erzeugen können. Ein weiterer Punkt, weshalb klassische Flugsicherungen den unbemannten Luftverkehr nicht mit betreuen können, ist, dass sie auf die Menge Luftverkehr gar nicht eingerichtet sind. Die Anzahl der zu betreuenden Drohnen würden nicht nur Fluglotsen überfordern, sondern insbesondere auch die Flugsicherungssysteme, die auf diese Menge Luftverkehr gar nicht eingerichtet sind. Im Gegensatz zu den modernen Verkehrsfliegern ist der Automatisierungsgrad in der klassischen Flugsicherung noch relativ gering.

Welche konkreten praktischen Veränderungen kämen auf die Drone-Economy zu, wenn ein U-space nach EASA-Vorstellungen entstünde?
Sabrina John: Jeder UAS-Betreiber, der in einem U-space-Luftraum fliegen möchte, müsste sich zunächst einen U-space Service Provider (USSP) suchen. Vor jedem Flug müsste sich der UAS-Betreiber zunächst eine Autorisierung durch den USSP einholen. Für Betreiber, die in der Kategorie „specific“ fliegen möchten oder müssen, bietet das Vorhandensein von U-space Services die Möglichkeit, das Risiko im Luftraum und am Boden gemäß Risikobewertung (SORA) zu reduzieren, was für den Einsatz von Drohnen durchaus förderlich sein kann.

Wären U-space Service Provider und der U-space eine Lösung, um die oft langwierigen sowie ungewissen Genehmigungsverfahren für BVLOS-Operationen zu verhindern und zusätzliche Geschäftsmodelle zu etablieren?
Sabrina John: Nein. U-space ist eine Möglichkeit, BVLOS-Betrieb zu ermöglichen und sicher durchzuführen. Insbesondere dann, wenn die Verkehrsdichte zunimmt oder die Wahrscheinlichkeit von Begegnungen mit der bemannten Luftfahrt gegeben ist, kann ein U-space-System für die Sicherheit im Luftraum förderlich sein. Dies ersetzt jedoch nicht das Einholen von Genehmigungen für das Fliegen außerhalb der Sichtweite. Die Genehmigungsverfahren sind dazu da, dass sich der UAS-Betreiber mit der Fragestellung auseinandersetzt, wie er einen sicheren Betrieb gewährleistet. Dazu zählen die Auswahl eines geeigneten Fluggerätes, ein Wartungskonzept, regelmäßige Schulungen des Personals sowie Verfahren, wie im Notfall reagiert werden soll. Diese Maßnahmen können und sollten in keiner Weise durch die Nutzung eines U-space-Systems ersetzt werden.

Der UAV DACH begleitet die Entwicklung des U-space bereits seit Langem aufmerksam und hat gegenüber der EASA mehrfach die Perspektive der Drone-Economy vertreten. Wie viel UAV DACH steckt in der aktuellen EASA-Opinion?
Achim Friedl: Die ersten Entwürfe und die Opinion zu U-space waren für den UAV DACH nicht zufriedenstellend. Daher wurden zwei Grundsatzschreiben an die EU-Kommission und die EASA gerichtet. Darin hatten wir dargelegt, dass die Absicht der EASA, den U-space-Luftraum als „segregated airspace“ oder „restricted area“ zu deklarieren, nicht akzeptiert wird. Wir möchten einen U-space-Luftraum haben, mit dem die unbemannte Luftfahrt kooperativ in den Luftverkehr integriert wird. Die bemannte Luftfahrt muss auch im U-space-Luftraum weiterhin „ungehindert“ fliegen dürfen und UAS in der „open category“ sollten auch nicht ausgesperrt werden. Diese Positionen sind ganz oder teilweise in den letzten Entwurf der U-space-Verordnung eingeflossen. Unsere Forderung nach einer Trennung von ANSP für die bemannte Luftfahrt und USSP für die unbemannte Luftfahrt mit klar definierten Zusammenarbeitsverfahren für die Luftverkehrskoordinierung ist noch nicht ausreichend abgebildet. Insgesamt kann man aber sagen, dass sich der „Geist“ des UAV DACH zu U-space in dem aktuellen Verordnungsentwurf wiederfindet.




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