„Kooperation ist das Gebot der Stunde”
Wie können die europäischen Vorgaben für U-spaces sinnvoll in Deutschland umgesetzt werden? Diese Frage bewegt weite Teile der Drone-Economy. Das Forschungsprojekt UDVeo (Urbaner Drohnen-Verkehr effizient organisiert) hat diesbezüglich konkrete Handlungsempfehlungen für die Politik vorgelegt. Sebastian Törsleff, mittlerweile bei HHLA Sky beschäftigt, war an zentraler Stelle an deren Erstellung beteiligt. Seine Überzeugung: „Kooperation ist das Gebot der Stunde.” Warum? Drones fragt nach.
Von Jan Schönberg
Drones: Wie „U-space-ready“ ist Deutschland aus Ihrer Sicht?
Sebastian Törsleff: Wir haben ein hervorragendes Ökosystem in Deutschland, um die mit der Einrichtung der ersten U-spaces verbundenen Herausforderungen zu meistern. Technologisch gibt es für die wichtigsten Herausforderungen bereits ausgereifte Lösungen, jetzt kommt es auf politische Rückendeckung und die Finanzierung erster Leuchtturmprojekte an. Klar ist aber auch: Es geht nicht darum, iin Europa um jeden Preis das erste Land zu sein, das einen U-Space einrichtet, sondern darum, sichere und effiziente U-Spaces in Betrieb zu nehmen, die Vorbildcharakter für Europa haben.
Wie wichtig ist der U-space für die Integration von UAS im urbanen Luftraum?
Extrem wichtig. U-spaces sind der Enabler für Flüge außerhalb der Sichtweite und man muss klar sagen, dass nur damit ein zunehmender Drohnenverkehr sicher und effizient organisiert werden kann. Insofern handelt es sich dabei um einen Game Changer für den UAS-Betrieb. Im Übrigen auch für das Fliegen in Sichtweite.
Wieso?
In vielen Gesprächen mit Drohnenbetreibern kam zum Beispiel heraus, dass im urbanen Raum Hubschrauber erst recht spät wahrgenommen werden können. Geeignet ausgestaltete U-spaces wären also auch hier ein echter Sicherheitsgewinn.
Dafür müssten dann aber auch alle Luftraumteilnehmer immer und überall technisch sichtbar sein.
Richtig. Die elektronische Sichtbarkeit muss bis zum Boden sichergestellt sein. In Hamburg zum Beispiel werden Hubschrauber zum Teil erst ab 50 Meter Flug höhe sichtbar, was mit Blick auf den Drohnenbetrieb eine Sicherheitslücke darstellt. Der Hinweis zur aktuellen Position im Luftraum ist die Basis, diese Lücke zu schließen, reicht aber nicht aus. Um beurteilen zu können, ob man die eigene Mission beispielsweise aufgrund des Rettungs- oder Sucheinsatzes eines Hubschraubers anpassen oder unterbrechen muss, ist auch eine Information über das Ziel beziehungsweise die Route eine wesentliche Information. Nur so lassen sich eine möglichst große Zahl an Flugbewegungen im U-space parallel organisieren und nicht erforderliche Flugabbrüche vermeiden. Großflächige Luftraumbeschränkungen müssten dann auch tatsächlich nur in Ausnahmefällen vorgenommen werden, zum Beispiel bei der Vermisstensuche oder im Fall von polizeilichen Einsätzen, wenn eine exakte Route nicht vorhersehbar ist.
Klingt so, als müsste vor allem noch an geeigneten Kommunikationsprozessen gearbeitet werden.
Eine technisch und strukturell verlässlich funktionierende Kommunikation ist natürlich von entscheidender Bedeutung. Das beginnt mit Blick auf U-spaces bereits bei der Planung. Es gibt nicht den einen Player, der mit Blick auf das Nebeneinander von bemannter und unbemannter Luftfahrt alles alleine regeln kann. Es bedarf einer intensiven Zusammenarbeit aller Stakeholder. Daher müssen bei sämtlichen Überlegungen und Planungen auch frühzeitig die unterschiedlichen lokalen Player eingebunden werden.
Also sprechen Sie sich für eine Vielzahl kleinerer, punktuell zu etbalierender U-space-Gebiete aus?
Zumindest am Anfang scheint das der praktikabelste Weg zu sein. Perspektivisch wäre es aus UDVeo- Perspektive aber auf jeden Fall wünschenswert, dass ganz Deutschland ein U-space-Gebiet wird. Schließlich geht es dabei um einen Zugewinn an Sicherheit, den man nicht künstlich limitieren sollte. Die individuelle Organisation einzelner Bereiche wiederum sollte unter Einbindung der jeweiligen Stakeholder erfolgen. Kooperation ist der Schlüssel zum Erfolg.
Mit Blick auf die Bereitstellung von einheitlichen Daten durch einen Single Common Information Service Provider schlägt das UDVeo-Konsortium ein staatliches Open-Source-Projekt vor. Warum?
Auch an dieser Stelle ist Kooperation das Gebot der Stunde. Die gesamte Materie ist noch so neu, dass kein einzelner Player über das gesamte erforderliche Wissen verfügt. Schließlich kommt dem Single Common Information Service Provider eine absolut kritische Rolle zu, da dessen Informationen unter anderem entscheidend dafür sind, dass es in einem U-space mehrere parallel agierende U-space Service Provider geben kann, wie es die europäischen Vorgaben vorsehen. Daher ist es wichtig, dass alle relevanten Akteure an der Entwicklung beteiligt werden.
Zu einer effizienten Organisation des urbanen Drohnenverkehrs gehört, dass sowohl Drohnenbetreiber als auch U-space Service Provider und Single Common Information Service Provider wirtschaftlich agieren können. Inwiefern sind regulative Vorgaben zur Preisgestaltung der zu erbringenden Leistungen sinnvoll?
Ich denke es spricht einiges dafür, dass die öffentliche Hand U-spaces künftig als „kritische Infrastruktur“ einstuft und sich dementsprechend damit befasst, dass der Markt vernünftig und vor allem verlässlich funktioniert.
Das bedeutet konkret?
Deutschland wird voraussichtlich das zentralisierte Modell zur Erbringung der gemeinsamen Informationsdienste mit einem Single Common Information Service Provider pro U-space verfolgen. Ein solches Monopol birgt natürlich immer Risiken, die es zu beachten gilt. Für eine entsprechende Regulierung könnte man sich zum Beispiel an der Anreizregulierungsverordnung orientieren, die im Bereich der Energieversorgungsnetze zur Anwendung kommt. Mit Blick auf den Wettbewerb zwischen mehreren U-Space Service Providern sollte der Staat lediglich darauf achten, dass die Markteintrittsbarrieren nicht zu hoch sind. Kurzfristig stehen wir aber eher vor einem anderen Problem: Solange es keine leistungsstarke U-Space-Infrastruktur gibt, gibt es keine Nachfrage nach U-Space-Diensten und solange diese Nachfrage nicht existiert, gestaltet sich die Finanzierung des Infrastrukturaufbaus schwierig; quasi ein Henne-Ei-Problem.
Wie ließe sich das lösen?
U-Spaces haben das Potenzial, in Zukunft ein essentieller Bestandteil unserer Verkehrsinfrastruktur und der Grundstein für eine wachstumsstarke Drone-Economy zu werden. Aus diesem Grund sollte der Staat die Einrichtung der Infrastruktur initial unterstützen, bis sie sich, nachdem die Nachfrage entsprechend anzieht, selbst tragen kann.
Während die Beteiligten am Reallabor in Hamburg in ihren Handlungsempfehlungen die Dienste, die ein U-space Service Provider zu erbringen haben soll, auf die vier gemäß europäischer Vorgaben zwingend vorgeschriebenen Services beschränken möchte, empfehlen Sie dringend, in Deutschland zusätzlich den Konformitätsüberwachungsdienst obligatorisch zu machen. Warum?
So wichtig Effizienz und Wirtschaftlichkeit sind, die absolute Priorität hat immer die Sicherheit. Und das Wissen über die Position eines Luftraumteilnehmers ist eben das eine, die Info, ob sich dieser auch dort befindet, wo er sein soll, etwas ganz anderes. Und es lässt sich eben nicht ausschließen, dass Drohnen aufgrund technischer Probleme oder menschlichen Versagens den für sie reservierten Luftraum verlassen. Mit dem Konformitätsüberwachungsdienst wird dafür Sorge getragen, dass dies anderen Drohnenbetreibern frühzeitig kenntlich gemacht wird und diese geeignete Maßnahmen ergreifen können. Um es klar zu sagen: Erst mit dem Konformitätsüberwachungsdienst erreichen Sicherheit und Effizienz der Drohnennutzung im U-Space ein akzeptables Niveau – eine wichtige Säule also auch für die öffentliche Akzeptanz.
Lese-Tipp
Das Interview mit Sebastian Törsleff ist in Ausgabe 4/2022 von Drones erschienen. Diese und alle weiteren noch verfügbaren Ausgaben des Magazins für die Drone-Economy sind unter www.drones-magazin.de/shop erhältlich