Mehr Drohnen wagen?
Dass Drohnen die Zukunft gehört, ist keine neue Erkenntnis. Ob Militär, Rettungswesen, Logistik oder die Sicherung kritischer Infrastruktur: Unbemannte Systeme liefern zu Lande, zu Wasser und in der Luft erhebliche Mehrwerte für Wirtschaft und Gesellschaft. Dementsprechend groß waren die Hoffnungen in der Drone-Econonmy, dass sich eine neue Bundesregierung voll zur Zukunftstechnologie bekennt. Mit dem nun vorgestellten Koalitionsvertrag erfüllen sie sich nicht. „All in“ sieht anders aus.
Von Jan Schönberg
Ein Kommentar von Drones-Chefredakteur Jan Schönberg
Zugegeben, es stehen ein paar ermutigende und vor allem richtige Dinge in dem Vertragswerk, das die Verhandlungsteams von CDU, CSU und SPD miteinander erarbeitet haben. Recht konkret geht es in puncto Landwirtschaft zu. Dort soll der „praxistauglichen Einsatz von Drohnen“ ermöglicht werden, „zum Beispiel bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln im Steillagenweinbau“. So weit, so richtig. Dass zudem die „rechtlichen, technischen und finanziellen Voraussetzungen für eine wirksame Detektion und Abwehr von Drohnen“ geschaffen werden sollen, ist allerdings keine mutige Forderung, sondern Selbstverständlichkeit. Wie diese Regelungen, die auch die „Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern“ betreffen sollen, konkret aussehen werden, wird sich zeigen. Die Ankündigung, dass „die EU-weit geltende U-Space-Verordnung für unbemannte Fluggeräte zügig umgesetzt“ werden solle, ist eher das Eingeständnis eines bisherigen Versäumnisses als ein wirklicher Schritt nach vorne. Was „zügig“ konkret bedeutet, bleibt unklar.
Auch darüber hinaus lässt man vieles im Ungefähren. Viel ist von Robotik und Künstlicher Intelligenz die Rede, von Bürokratieabbau und Innovationsfreundlichkeit. Es wäre auch seltsam gewesen, würde das nicht in einem solchen Text stehen. Konkrete Vorhaben und Ziele im Bereich der unbemannten Systeme sucht man allerdings weitgehend vergeblich. Autonomes Fahren soll ermöglicht werden, Initiativen für Unterwasserrobotik und höhere Autonomie der Schiffsführung will man auf de Weg bringen. Das war es dann im Grunde aber auch schon. Den Zukunftsmarkt „Advanced Air Mobility“ hat man bei Union und Sozialdemokratie offensichtlich nicht weit oben auf der Agenda. Wenn überhaupt. Immerhin möchten die Koalitionäre in spe „die Modernisierung in der Luftfahrtindustrie und des Luftverkehrs“ gestalten – mit Fokus auf fairen Wettbewerb und Dekarbonisierung.
Mit Blick auf AAM und UAS droht man daher eine Chance zu verspielen. Denn gerade die Digitalisierung der Luftfahrt ist ein wichtiges Zukunftsfeld, auf dem im Bereich der unbemannten Systeme vieles entwickelt und vorangetrieben wird. Oder zumindest werden könnte, wenn die deutsche und europäische Drone-Economy im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig bleibt. Signale, dass eine künftige Bundesregierung an dieser Stelle verstärkte Anstrengungen unternehmen könnte, findet man im Koalitionsvertrag allenfalls zwischen den Zeilen. Und selbst im Bereich Militär geht es nicht über eine zahnlose Ankündigung hinaus. Demnach werden unbemannte Systeme, einschließlich kampffähiger UAVs, besonders hervorgehoben, wenn es um die „Förderung von Zukunftstechnologien für die Streitkräfte“ geht.
Ja, ein Koalitionsvertrag kann und soll keine Regieanweisung für eine vollständige Legislaturperiode sein. Aber in puncto unbemannte Systeme fehlt mir an dieser Stelle die Vision. Wer „Verantwortung für Deutschland“ übernehmen möchte, muss in Sachen unbemannte Systeme mutig vorangehen. Nur so werden wir die Chance haben, in Deutschland und Europa eine wettbewerbsfähige, resiliente Industrie aufzubauen, die uns unabhängig von anderen Weltregionen macht. Ich hoffe, dass konkretes Regierungshandeln dieser Erkenntnis stärker Rechnung trägt als es der Koalitionsvertrag erahnen – man könnte auch sagen: befürchten – lässt.