New York, Hamburg, Tokio
2.800 Flüge mit insgesamt 275 Lufttaxis. Und das innerhalb von 24 Stunden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Simulation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) bezüglich des potenziellen Flugtaxi-Verkehrs in Hamburg. Diese und andere spannende Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt HorizonUAM wurden vor Kurzem im Nationalen Erprobungszentrum für Unbemannte Luftfahrtsysteme in Cochstedt der Öffentlichkeit präsentiert.
Von Jan Schönberg
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit urbane Mobilität tatsächlich durch die Luft erfolgen kann? Welche Anforderungen mit Blick auf Sicherheit, Effizienz, Nachhaltigkeit und Bezahlbarkeit müssen erfüllt sein? Einem ganzheitlichen Ansatz folgend wurden im Projekt HorizonUAM alle Glieder der Wertschöpfungskette unbemannter Luftfahrt im städtischen Umfeld unter die Lupe genommen. Insbesondere mit Blick auf den Einsatz hochautomatisierter Flugtaxis. „Der zukünftige urbane Luftverkehr stellt vielfältige Anforderungen an einen sicheren und effizienten Betrieb mit passenden Start- und Landeplätzen sowie Flugrouten, die sich schonend in die bestehende Infrastruktur und den Alltag der Menschen vor Ort integrieren“, erläutert die DLR-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla. „Dafür benötigen wir einen ganzheitlichen Ansatz in Forschung und Entwicklung, den das DLR-Projekt HorizonUAM aufgreift. Insgesamt zehn beteiligte Institute und Einrichtungen zeigen die Gesamtsystemkompetenz des DLR in diesem für die urbane Mobilität und Wirtschaft wichtigen Zukunftsfeld.“
Systemsimulation
Für eine möglichst zielsichere Prognose entwickelten die beteiligten Forscherinnen und Forscher eine Systemsimulation sowie eine Methodik zur Prognose der Nachfrage nach UAM-Verkehrsdiensten und untersuchten insgesamt 990 internationale Ballungsräume mit mehr als 500.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Anhand der Methodik identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mehr als 200 Städte weltweit als „UAM-geeignet“. Wichtige Eignungsfaktoren sind dabei unter anderem die Bevölkerungszahl, die Ausdehnung der Stadt sowie das Bruttoinlandsprodukt. Neben Metropolen wie New York und Tokio gehört auch Hamburg zu den als geeignet identifizierten Städten.
Damit Flugtaxis im städtischen Raum überhaupt zum Einsatz kommen können, müssen die technische Infrastruktur in der Luft sowie die physische Infrastruktur am Boden vorhanden sein. Start- und Landepunkte müssen sich in die vorhandene Bebauungsstruktur und das jeweilige Stadtbild integrieren lassen. Neben den größeren Vertiports, an denen wie auf einem Flughafen mehrere Fluggeräte parallel abgewickelt werden können, ist nach Ansicht des DLR zudem ein Netz kleinerer Vertidoms – vergleichbar mit Hubschrauberlandeplätzen – erforderlich, um einen sinnvollen Flugbetrieb zu gewährleisten. Um Abläufe am Boden sowie Betriebsszenarien in der Luft tatsächlich in der Praxis simulieren zu können, errichteten die Forschenden am DLR-Standort Cochstedt eine Modellstadt im Maßstab 1:4. „In der Modellstadt konnten wir als prägnantes Beispiel ein Lufttaxi-Szenario für Hamburg erproben. Konkret ging es um eine Luftverbindung zwischen dem Hamburger Flughafen und einem in der Binnenalster positionierten Vertidrom. Die nachgestellte Flugstrecke durch Hamburg ließ sich günstig entlang der bestehenden S-Bahn-Trasse legen. Sensible Gebiete oder solche mit höherem Flugverkehrsaufkommen, wie beispielsweise rund um das Hamburger Klinikum, wurden dabei ausgespart.”
Detailliertes Kabinendesign
Die Perspektive der potenziellen Nutzerinnen und Nutzer von Flugtaxi-Diensten wurde durch umfangreiche Befragungen und Simulationen berücksichtigt. So wurden verschiedene VTOLs konzipiert und für ein Konzept mit sechs schwenkbaren Rotoren zudem ein detailliertes Kabinendesign gefertigt. In einem eigens aufgebauten Simulator am DLR-Standort Braunschweig wurde das künftige Flugerlebnis für 30 Probandinnen und Probanden nachgestellt. In diesem Setting waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie sehr offen für einen ferngeführten Lufttaxiflug ohne Piloten an Bord. Im Falle von unerwarteten Ereignissen, wie einer plötzlichen Streckenänderung, konnte das gefühlte Wohlbefinden jedoch tendenziell gesteigert werden, wenn ein Crew-Mitglied an Bord war.
Zudem wurde auch die wirtschaftliche Seite des Flugtaxi-Betriebs untersucht. Dafür entwickelten und untersuchten die Forscherinnen und Forscher verschiedene Einsatzszenarien: den innerstädtischen Lufttaxi-Verkehr, Flughafen-Shuttles und den Regionalverkehr. Das Ergebnis: Um die Betriebskosten zu decken und gleichzeitig einen Gewinn zu erzielen, müssten Betreiberinnen und Betreiber für Lufttaxis und Shuttle-Services je nach Gegebenheiten Preise in einer Spanne zwischen 4,– und 8,– Euro pro Kilometer veranschlagen. Zum Vergleich: Eine Taxifahrt in Hamburg kostet aktuell je nach Tageszeit und Distanz zwischen 2,– und 3,– Euro pro Kilometer.