Organtransport per Drohne
Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation wurden im Jahr 2020 alleine in der Bundesrepublik etwas mehr als 3.500 Organe transplantiert. Neben der möglichst optimalen Übereinstimmung der biologischen Parameter zwischen Spender und Empfänger ist es vor allem der Faktor Zeit, der über Erfolg und Misserfolg einer Transplantation entscheidet. Um die Spanne zwischen Entnahme und Einsetzen von Niere, Leber oder auch Herz möglichst gering zu halten, kann der Organtransport per Drohne eine Lösung sein. Das US-Unternehmen MissionGo hat sich in der jüngeren Vergangenheit weltweit einen Namen gemacht und nach dem erfolgreichen Transport einer Niere nun auch erstmals eine Bauchspeicheldrüse per Drohne befördert.
Von Jan Schönberg
Im April 2019 schrieben Anthony Pucciarella, President & Co-Founder von MissionGo, und der heutige Mission Go-Chefpilot Ryan Henderson ein Stück Drohnen- und Medizingeschichte. Unter ihrer Leitung wurde zwischen dem St. Agnes Hospital in Baltimore und dem Medical Center der University of Maryland erstmals ein Organ per unbemanntem Flugsystem transportiert und anschließend erfolgreich einem Menschen transplantiert. Damals waren Pucciarella und Henderson noch im UAS-Testzentrum der Uni Maryland beschäftigt – das Thema Organtransport per Drohne ließ sie seither jedoch nicht los. Im Herbst 2020 sorgten die beiden mit dem mittlerweile gegründeten Unternehmen MissionGo für Furore. Bei zwei Testflügen wurde zunächst eine Hornhaut zwischen zwei Krankenhäusern in Las Vegas transportiert. Anschließend wurde eine Niere zu wissenschaftlichen Zwecken über eine Distanz von gut 16 Kilometer durch die Wüste geflogen.
Pre- & Post-Fly-Check
Wurde 2019 der Organtransport per Drohne tatsächlich mit der Transplantation einer Spenderniere in eine Dialysepatientin gekrönt, dienten die Tests in Las Vegas insbesondere wissenschaftlichen Zwecken. Schließlich muss vor einem Regelbetrieb getestet werden, inwiefern menschliche Organe durch die Beförderung mit einem unbemannten Fluggerät Schaden nehmen könnten. Und welche Organe gegebenenfalls für einen Drohnenflug ungeeignet sein könnten. Anfang Mai 2021 wurde daher eine menschliche Bauchspeicheldrüse auf einen „Rundflug“ über Coon Rapids im US-Bundesstaat Minnesota geschickt. Vor dem Start und nach der Landung im Mercy Hospital wurde per Biopsie der Zustand des Organs geprüft, auch während des mehr als 15 Kilometer langen Flugs über dem Mississippi wurden die wesentlichen Parameter wie etwa die Temperatur der Bauchspeicheldrüse kontinuierlich überwacht.
„Organtransplantationen sind ein Wettlauf gegen die Zeit“, weiß Susan Gunderson, Gründerin und CEO der Transplantationsagentur LifeSource, die an dem Test in Coon Rapids beteiligt war. „Dies ist eine von zahlreichen bahnbrechenden Lösungen die uns dabei helfen können, mehr Leben zu retten.” Und Grund zur Zufriedenheit gab es an diesem Tag in Minnesota reichlich. Denn zum einen lief der Drohnenflug problemlos ab. Und zum anderen ergeben die Biopsien vor und nach dem Flug keinerlei Abweichungen, sodass der erste UAS-Transport einer Bauchspeicheldrüse zur Beschleunigung einer lebensrettenden Organverpflanzung wohl nur noch eine Frage der Zeit sein dürfte.
Lese-Tipp: In Deutschland laufen derzeit einige Pilotprojekte zur Erprobung medizinischer Transporte, beispielsweise in Berlin, Siegen und Hamburg. Dabei werden Gewebe- und Blutproben, Covid-19-Tests oder auch eilige Medikamente befördert. Ein Organtransport per Drohne hat in Deutschland jedoch noch nicht stattgefunden.
Fotos: Mission Go