Over the bridge
Nachdem die Carolabrücke in Dresden im vergangenen September teilweise einstürzte, ist nun klar, dass sie vollständig abgerissen und neu errichtet werden muss. Solche Ereignisse zeigen, wie wichtig regelmäßiges Monitoring und frühzeitige Reparaturmaßnahmen sind, um die Verkehrsinfrastruktur in einem adäquaten Zustand zu halten. Eine Herausforderung, die die zuständigen Stellen überall auf der Welt beschäftigt. Und bei deren Bewältigung Drohnen immer wichtiger werden.
Von Jan Schönberg
Die Robert Street Bridge in St. Paul ist seit fast 100 Jahren ein Wahrzeichen der Hauptstadt des US-Bundesstaates Minnesota. Die achtfeldrige Stahlbetonbogenbrücke wurde in das National Register of Historic Places aufgenommen und dient als wichtige Verbindung für Fahrzeuge und Fußgänger. Sie erstreckt sich über etwa 435,5 Meter und überquert den Mississippi, zwei Eisenbahnstrecken und eine Straße mitten im Herzen von St. Paul. Obwohl die Bogenbrücke im Jahr 1989 saniert wurde, verschlechtert sich ihr baulicher Zustand weiter. Um sicherzustellen, dass das historische Bauwerk noch weitere Jahrzehnte genutzt werden kann, sollen umfangreiche Sanierungsarbeiten vorgenommen werden. Damit diese effizient geplant und umgesetzt werden können, wurde das Ingenieurs- und Projektplanungsunternehmen Collins Engineers mit einer umfassenden Inspektion und Bestandsaufnahme beauftragt. Und setzt dabei auf digitale Datenerfassung mit Hilfe von UAS. „Dies ist der bedeutendste Entwicklungssprung im Bereich der Brückeninspektion seit der offiziellen Aufnahme von Brückeninspektionen in den Vereinigten Staaten im Jahr 1971“, so Barritt Lovelace, Vice President für UAS, AI und Reality Modeling bei Collins Engineers, Inc.
Qualität steigern
Das umfangreiche Projekt umfasst dabei drei Kernbereiche. Erstens sollte sichergestellt werden, dass detaillierte Informationen über den Zustand der Brücke gesammelt werden können. Das zweite Ziel war die zuverlässige Bestimmung der aktuellen Tragfähigkeit der Brücke. Und last but not least ging es darum, die erforderlichen Reparatur- und Sanierungsmaßnahmen zu definieren und Planungen für Dauer und Ablauf der Arbeiten vorzunehmen. „Die größte Herausforderung bei diesem Projekt war die effiziente und genaue Erfassung detaillierter Inspektionsdaten für ein so großes Bauwerk mit so vielen Schäden und Mängeln“, so Lovelace. „Die Anwendung traditioneller Methoden zur Erfassung von Inspektionsdaten wäre sehr mühsam und teuer, sodass unser Team innovative Wege finden musste, um nicht nur effizienter zu sein, sondern auch eine höhere Datenqualität zu liefern.“
Collins Engineers setzte daher in einem ersten Schritt Drohnen ein, um mehr als 57.000 Bilder der Brücke aufzunehmen. Um diese gigantische Datenmenge effizient und zielführend verarbeiten zu können, setzte man auf die Softwarelösungen iTwin Capture sowie iTwin Experience von Bentley Systems, mit denen ein detaillierter digitaler Zwilling der Brücke erstellt wurde. Dank dieser Möglichkeit konnten die Spezialisten von Collins Engineers bereits inspizieren, bevor sie überhaupt das erste Mal persönlich vor Ort waren. Ein enormer Zugewinn an Effizienz und Präzision. „Mit dieser Methode können Ingenieure Mängel überprüfen, anstatt detaillierte Informationen vor Ort sammeln zu müssen“, erläutert Lovelace.
Remote inspection
Vor Ort konnten die Ingenieure die digitale 3D-Nachbildung dazu verwenden, um die neuralgischen Punkt noch einmal genauer in Augenschein zu nehmen und das virtuelle Modell mit zusätzlichen Erkenntnissen weiter zu optimieren. Wie gut die digitale Vorarbeit ist, zeigt die Tatsache, dass gut 70 % aller relevanten Informationen zeitsparend und hochpräzise gesammelt werden konnten, bevor die Brücke von den Fachleuten erstmals besichtigt wurde. „Wir verlassen uns noch immer auf unsere Prüfer und ihre Erfahrung, aber wir sind dazu übergegangen, viele dieser Mängel nicht mehr vor Ort zu ermitteln, sondern nur noch zu überprüfen, ob sie vorhanden sind und ob die Informationen aus der Vorinspektion und die künstliche Intelligenz die Schäden korrekt identifiziert haben“, erklärt Barritt Lovelace. Auf diese Weise lassen sich derartige Projekt nicht nur besser und kostengünstiger planen und überwachen, es lassen sich auch mehr Objekte inspizieren, ohne zusätzliches Personal einzustellen. In Zeiten des Fachkräftemangels ein entscheidender Vorteil.
Durch die Möglichkeit, Brücken vorab zu inspizieren und Methoden zur digitalen Projektabwicklung zu implementieren, konnte Collins Engineers den Zeitaufwand vor Ort um mindestens 20 Prozent reduzieren. Dadurch gab es weniger Straßensperrungen sowie Verkehrsbeeinträchtigungen für Pendler und die Ingenieure konnten sich auf die entscheidenden nächsten Schritte des Projekts konzentrieren: die Bewertung der Tragfähigkeit der Brücke und die Entwicklung eines Plans für das weitere Vorgehen. „Die Ingenieure konnten ihre Zeit nutzen, um Entscheidungen zu treffen, anstatt Daten zu sammeln“, so Lovelace.
Ressourcen schonen
Doch nicht nur die Effizienz der Planungs- und Monitoringaufgaben lässt sich mithilfe des auf Drohneneinsatz basierenden digitalen Zwillings optimieren. Es lassen sich auch an anderer Stelle konkrete Kosteneinsparungen realisieren. Denn auch Subunternehmer können den Zeit-, Personal- und Materialaufwand besser kalkulieren und präzisere Angebote abgeben. „Ich schätze, dass dieser Informationsvorsprung zu Einsparungen von bis zu 15 Millionen US-Dollar für das Verkehrsministerium von Minnesota und zu einer Verringerung des Materialverbrauchs während des Bauprozesses um 10 Prozent führen wird“, prognostiziert Lovelace.
Text: Oana Crisan
Mit Material von Bentley Systems
Foto: Collins Engineers, Inc.