Push oder Ballast?
Ist das U-space-Konzept eher Push oder Ballast für die Branche? Diese Frage wird in der Drone-Economy durchaus differenziert betrachtet. Wie das auch weltweit mit Spannung beobachtete europäische Modell in Deutschland umgesetzt werden könnte, das hatte ein Konsortium unter der Leitung von DFS Deutsche Flugsicherung und Droniq im vergangenen Jahr in einem Reallabor in Hamburg erprobt (wir berichteten). Einige konkrete, aus den Projektergebnissen abgeleitete Handlungsempfehlungen zur zukünftigen Einrichtung von U-space-Lufträumen wurden nun veröffentlicht.
Von Jan Schönberg
Am 26. Januar 2023 treten die Regelungen der europäischen Durchführungsverordnungen 2021/664, 2021/665 sowie 2021/666 in Kraft. Darin wird festgelegt, wie die Mitgliedsstaaten der EU sogenannte U-space-Lufträume einrichten können. Und welche Vorschriften dann darin gelten müssen. Auf diese Weise soll eine zusätzliche Option geschaffen werden, um eine wachsende Zahl an Drohnen sicher und effizient in den Luftraum zu integrieren. Insbesondere da, wo mit einer größeren Zahl an UAS-Operationen oder dem regelmäßigen Miteinander von bemannter und unbemannter Luftfahrt zu rechnen ist. Dabei handelt es sich grundsätzlich um eine spezielle Form eines sogenannten geographischen UAS-Gebietes, in dem Drohnen-Missionen komplett verboten, speziell reglementiert oder nach den Vorgaben der EU-Drohnenverordnung (2019/947) grundsätzlich erlaubt werden können. U-space-Lufträume könnten also, so die Hoffnung der Europäischen Kommission, zusätzliche Möglichkeiten eröffnen, Drohnen-basierte Geschäftsmodelle auch in Ballungsgebieten oder beispielsweise in Kontrollzonen von Flughäfen zu etablieren.
Doch auf der anderen Seite stehen Befürchtungen, dass Flexibilität verloren gehen, manches Betriebsszenario unwirtschaftlich werden könnte. Denn der Betrieb im U-space ersetzt nicht die gegebenenfalls erforderlichen Genehmigungsverfahren, sondern bedeutet eine zusätzliche sowie kostenpflichtige Auflage. Denn weder ersetzt oder überlagert der U-space alles andere, noch ist er lediglich eine Option. Wo ein U-space eingerichtet wird, muss sich beispielsweise auch der Betrieb in der offenen Kategorie den dortigen Regeln sowie Auflagen unterwerfen. Und auch andere Einschränkungen wie generelle Flugverbotszonen gilt es weiterhin zu berücksichtigen, denn innerhalb eines U-space-Luftraums können weitere geographische UAS-Gebiete liegen. Allerdings könnte die Präsenz eines solchen U-spaces wiederum bei Antragsverfahren für Betriebsgenehmigungen helfen sowie zu einer erhöhten öffentlichen Akzeptanz entsprechender UAS-Einsätze beitragen. Es ist also kompliziert.
Das Konzept kann funktionieren
Geht es jedoch nach der Deutschen Flugsicherung und Droniq, ist die Sache klar. „Die Erkenntnisse aus dem Reallabor zeigen, dass die Umsetzung des U-Space-Konzeptes in Deutschland funktioniert“, sagt Angela Kies, Leiterin Unbemannte Luftfahrzeugsysteme bei der DFS. „Die Umsetzung kann nunmehr konsequent vorangetrieben werden, um den sicheren Einsatz von Drohnen effizient zu ermöglichen.“ Eine Einschätzung, die im zuständigen Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen wird. Schließlich hält man dort auch nach dem Wechsel an der Ministeriumsspitze am Ziel fest, Deutschland fit für die flächendeckende Nutzung von „unmanned aircraft systems“ zu machen. „Deutschland ist mit rund 400 Unternehmen Leitmarkt für Drohnentechnologien. Diesen technologischen Vorsprung Deutschlands wollen wir stärken und weiter ausbauen. Das U-space-Reallabor hat uns viele wichtige Fragen für die Einrichtung von U-Space-Gebieten beantwortet“, lässt sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) in einer gemeinsamen Pressemitteilung von DFS und Droniq zitieren. „Diese erfolgreiche Praxiserfahrung nutzen wir jetzt, um Fortschritt zu ermöglichen. Schon nächstes Jahr sollen die ersten U-Space-Gebiete in Deutschland eingerichtet werden.”
Um dieses Ziel auch tatsächlich zu erreichen, ist jedoch Eile geboten. Denn noch sind viele Dinge ungeklärt. Nicht zuletzt eine Reihe grundlegender Zuständigkeitsfragen sowie technologische Standards. In weiteren „Folgeaktivitäten“ müssten daher – so wird es im kürzlich veröffentlichten Abschlussbericht erläutert – Themenaspekte beleuchtet werden, „die aufgrund der sehr kurzen Projektlaufzeit nicht Forschungsinhalt des U-space Reallabors waren“.
„U-space-Blaupause“
Nichtsdestotrotz hat bereits das Testvorhaben über dem Hamburger Hafen einiges an Anhaltspunkten geliefert, die wichtige Pfeiler der erhofften „U-space-Blaupause“ sein könnten. So zum Beispiel die Erkenntnis, dass nach Auffassung von DFS und Droniq eine Kombination aus punktuellen U-space-Lufträumen und elektronischer Sichtbarmachung sämtlicher Luftverkehrsteilnehmer einem bundesweiten U-space vorzuziehen sei.
Angesichts der starken Beteiligung von Droniq – immerhin ein Gemeinschaftsunternehmen der Deutschen Flugsicherung und der Deutschen Telekom – kann es zwar nicht überraschen, dass hier zumindest große Sympathie für die Einbeziehung von Mobilfunk-basierten Technologielösungen erkennbar ist. Und auch die Positionierung der DFS als optimalem Provider eines fusionierten Luftlagebilds von bemannter und unbemannter Luftfahrt ist sicher nicht frei von wirtschaftlichen Interessen. Doch die These, dass in einem ersten Step die sukzessive und punktuelle Einführung von U-space-Lufträumen über Ballungsgebieten und rund um Verkehrsflughäfen sinnvoll ist, während die elektronische Sichtbarmachung in dünner besiedelten Gebieten mit geringerem Verkehrsaufkommen am Himmel ausreichend sei, ist durchaus stichhaltig. Und natürlich ist es aufgrund des Knowhows und der Kapazitäten der Deutschen Flugsicherung alles andere als abwegig, in ihr einen potentiellen „Single common information service provider“ (SCISP) im Sinne der VO (EU) 2021/664 zu sehen.
Ökonomische Abwägung
Zudem ist natürlich bei allen Plänen auch die Frage der Wirtschaftlichkeit zu beantworten. Kern des europäischen U-space-Konzeptes ist es, dass diese Lufträume nicht nur geographisch definiert werden, sondern dass Drohnenbetreibern darin eine Vielzahl an Informationsdiensten geboten wird, um den Flugbetrieb zu sichern. Dieses „set of services“, wie es in der entsprechenden Verordnung genannt wird, enthält vier zwingend vorgeschrieben Bestandteile – Traffic Information Service, Network Identification Service, UAS Flight Authorisation Serviceund Geo-awareness Service –, die von kommerziell agierenden U-space Service Providern (USSP) erbracht werden müssen. Nur wo mindestens ein USSP seine Dienste anbietet, kann es überhaupt einen U-space geben.
Daher steht und fällt das Ganze Konzept nicht zuletzt mit einer ökonomischen Abwägung. Einzig, wenn die Anzahl der Flugbewegungen und das Pricing ein tragfähiges Geschäftsmodell ermöglichen, werden USSPs ihre Dienste anbieten können. Andererseits muss gerade das Pricing noch so attraktiv sein, dass es die Geschäftsmodelle potentieller Drohnenbetreiber nicht im Keim erstickt. Hier befindet sich die vielleicht größte Sollbruchstelle des gesamten Konstrukts U-space. Und Wettbewerb unter potentiellen U-space Service Providern wäre zwar grundsätzlich wünschenswert, könnte aber auch die wirtschaftliche Attraktivität entsprechender Aktivitäten schmälern. Wie gesagt: Es ist kompliziert.
Fehlendes Anforderungsprofil
Erschwerend kommt hinzu, dass bislang noch keine Aufsichts- und Lizenzierungsstruktur für entsprechende Anbieter konzipiert ist. Auch ein Anforderungsprofil für Unternehmen, die als USSP oder auch SCISP agieren wollen, gilt es zu entwickeln. In den Handlungsempfehlungen der Reallabor-Macher wird an dieser Stelle das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) ins Spiel gebracht. Im Bundesverkehrsministerium ist man dem Vorschlag nicht abgeneigt. Doch wann und ob eine formelle Beauftragung des BAF erfolgt, ist derzeit nicht absehbar. Hingegen bereits jetzt ganz klar absehbar ist die Tatsache, dass vor der erhofften Benennung der ersten U-spaces noch einiges an regulativem, gesetzgeberischem Handeln erforderlich ist.
Denn auch technisch wie strukturell sind noch einige Fragen zu beantworten, wie die Handlungsempfehlungen von DFS und Droniq unterstreichen. Seien es Benachrichtigungs- und Informationsprozesse zur sogenannten „dynamischen Rekonfigurierung“ – also der Reaktion auf plötzlich eintretende Veränderungen wie beispielsweise Einsätze von Polizei- und Rettungshubschraubern – oder auch die Gewährleistung einer stets aktuellen Datenlage als Basis eines Luftlagebilds. Denn nicht nur neu entstehende Gebäude oder Windräder können Einfluss auf den Drohnenbetrieb haben. Auch Baustellenkräne oder BOS-Einsatzorte müssen gegebenenfalls situativ berücksichtigt werden. Hierfür sichere Prozesse und Meldeketten zu etablieren, ist von essentieller Bedeutung.
Daher spricht tatsächlich einiges dafür, in einem ersten Schritt räumlich eng begrenzte U-space-Lufträume auszuweisen, bei denen auf einer bundesweit einheitlichen regulatorischen Grundlage auch individuelle Spezifika Berücksichtigung finden müssten. Die Autorinnen und Autoren der knapp 50-seitigen „Erkenntnisse & Handlungsempfehlungen des Fördervorhabens ‚Einrichtung eines U-Space Reallabors in Hamburg’” plädieren an diesem Punkt für die Erstellung eines transparenten Kriterienkatalogs, anhand dessen unter Einbeziehung „lokaler Drohnen-Beiräte“ die Sinnhaftigkeit eines U-space-Luftraums evaluiert werden könne. Auf diese Weise solle sichergestellt werden, dass neben den übergeordneten Regeln auch lokale Spezifika angemessen berücksichtigt werden. Damit aus einer grundsätzlich guten Idee auch tatsächlich der von allen Beteiligten erhoffte Push für die Drone-Economy ausgeht. Und nicht am Ende des komplizierten und komplexen Verfahrens mehr Brems- als Sogwirkung entsteht.
Abbildung: Fabiano Waewell / EyeEm via Getty Images
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