Drohnen-Einsatz in Nordpol-Nähe
Die internationale MOSAiC-Expedition unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts war eine der spektakulärsten Forschungsmissionen der jüngeren Geschichte. Monatelang driftete das Expeditionsschiff Polarstern – fest im arktischen Meereis eingefroren – etwa 3.400 Kilometer durch die zentrale Arktis rund um den Nordpol. Zeitweise mit an Bord: Roberta Pirazzini und Henna-Reetta Hannula vom finnischen Meteorologischen Institut in Helsinki. Ihr Projekt war es, per Drohnen-Einsatz in Nordpol-Nähe die Eisoberfläche zu kartieren und den sogenannten Albedo-Wert zu messen, der für ein Verständnis des Abschmelzens der Polkappen von zentraler Bedeutung ist.
Von Jan Schönberg
„Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate“ – oder kurz: MOSAiC – lautete der Name des Forschungsvorhabens, das international viel beachtet und medial begleitet wurde. Kein Wunder, schließlich sind die Folgen der globalen Erwärmung durch den Klimawandel wohl nirgends so direkt und drastisch zu erkennen wie in den Polarregionen. (Am Helmholtz-Zentrum Potsdam/Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ) setzt man einen modifizierten Wingcopter zur Erforschung des Treibhausgasaustauschs ein.) Und das Schmelzen der Eisflächen dort hat Auswirkungen auf die klimatischen Bedingungen im Rest der Welt. Kernziel der Wissenschaftler an Bord der Polarstern war es daher, die komplexen und nur unzureichend entschlüsselten Klimaprozesse der zentralen Arktis zu untersuchen, die Darstellung dieser Prozesse in globalen Klimamodellen zu verbessern und so zu verlässlicheren Klimaprognosen beizutragen.
Albedo-Messung
Das Abschmelzen der Eisflächen gibt Klimaschützern seit Jahren Anlass zu wachsender Sorge. Roberta Pirazzini und Henna-Reetta Hannula vom finnischen Meteorologischen Institut in Helsinki hatten es sich daher zur Aufgaben gemacht, per Drohnen-Einsatz in Nordpol-Nähe Daten zu sammeln und ihren Teil dazu beizutragen, dass sich die Wissenschaft ein genaueres Bild der Lage machen kann. „Der Zweck unserer Drohnenflüge war es, die Oberfläche abzubilden und die Oberflächen-Albedo zu messen, also den Anteil der Sonnenstrahlung, den die Oberfläche zurück in den Weltraum reflektiert“, erläutert Roberta Pirazzini im Interview mit der Drones-Redaktion. „In der Praxis gibt die Meereis-Albedo an, wie viel Sonnenstrahlung vom Meereis absorbiert wird und somit zum Schmelzen des Eises führt.”
Durch die per Dohnenflug gewonnenen Daten lässt sich – so die Hoffnung von Roberta Pirazzini und Henna-Reetta Hannula – ein wesentlich präziseres Bild davon erstellen, wie sich die Erderwärmung auf das arktische Eis auswirkt. Denn aufgrund des häufigen Nebels können beispielsweise Helikopter dort jedoch selten effizient zur Datengewinnung eingesetzt werden, sodass Drohnen – allen Widrigkeiten zum Trotz – unverzichtbare Dienste leisten können.
Für ihre Forschung setzten die beiden Wissenschaftlerinnen auf zwei verschiedene Drohnen. Mit Hilfe einer Mavic 2 Pro von DJI wurden optische Daten gewonnen, die anschließend mit photogrammetrischen Verfahren zu 3D-Modellen der Eisoberfläche in Nordpol-Nähe verarbeitet wurden. Apropos Nordpol: Der Drohnenflug unter den Extrembedingungen der Arktis stellte die Wissenschaftlerinnen vor enorme Herausforderungen. Angefangen bei der Kälte, die Mensch und Technik das eine oder andere Mal an die Belastungsgrenze führte, über nebelbedingte Eisbildung an den Rotorblättern bis hin zu Problemen im Zusammenhang mit der geographischen Nähe zum Nordpol. GPS und Kompass-Navigation waren in aller Regel nicht möglich, da man sich zu dicht am magnetischen Pol befand.
Made in Germany
Die Messung der Albedo (von Lateinisch „albus“ = weiß) wiederum wurde mit Hilfe eines 8 Kilogramm schweren Quadrokopters durchgeführt, der eigens von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe entwickelt worden war. Die SPECTRA getaufte Drohne verfügt über zwei Payload-Gimbals, eines nach oben, das andere nach unten ausgerichtet. „An jedem sind ein CM4-Pyranometer und zwei Mini-Ocean Optics STS-Spektralradiometer angebracht“, berichtet Roberta Pirazzini. „Aus dem Verhältnis der von der Oberfläche reflektierten Bestrahlungsstärke und der vom Himmel empfangenen Bestrahlungsstärke ermittelten wir die Oberflächenalbedo.” Denn auch wenn es auf den ersten Blick so scheinen mag, so ist das Meereis natürlich nicht überall gleich. „Die Meereis-Oberfläche ist eine Kombination aus weißem Eis, Schmelzteichen, Vorsprüngen und Graten, von denen jeder eine andere Albedo aufweist“, weiß Roberta Pirazzini. Da die Farbe des Eises oder Schmelzwasser-Filme direkten Einfluss auf die Reflektion der Sonnenstrahlen haben, sind solche Erkenntnisse wichtig, um Vorhersagen über das weitere Abschmelzen treffen zu können. Denn beispielsweise ein dünner Wasser-Film aus bereits geschmolzenem Eis führt zu einer Art Teufelskreislauf. Denn Wasser reflektiert wesentlich weniger Licht als Eis. Je mehr Wasser also auf den Eisflächen auftritt, desto mehr Licht wird absorbiert und der Prozess des Abschmelzens wird weiter beschleunigt.
Lese-Tipp: In der nächsten Ausgabe von Drones (Heft 3/2021 kommt am 29. April 2021 in den Handel) werden wir ausführlich über die Mission von Roberta Pirazzini und Henna-Reetta Hannula sowie den Drohnenflug in Nordpol-Nähe berichten.