Klimafolgenforschung

Symbiose aus Wissenschaft, Bürgern und Drohnen

Möglichst viele, möglichst präzise. Daten sind die Grundlage wissenschaftlicher Prozesse. Daher ist deren Gewinnung essentiell für die Konzeptionierung und den Erfolg von  Forschungsprojekten. Doch je größer das zu beobachtende Gebiet ist, desto schwerer wird es, ausreichend detaillierte Daten zu sammeln. Um diesem Problem zu begegnen soll im Projekt „Undercover Eisagenten“ eine Symbiose aus Wissenschaft, Bürgern und Drohnen gleich auf mehreren Ebenen zu positiven Ergebnissen führen.

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Foto: Alfred-Wegener-Institut

Ob Extremwetterlagen, Naturkatastrophen oder Ozon-Loch, handfeste Folgen von Treibhausgasemissionen und globaler Erwärmung gibt es bereits jetzt eine ganze Menge.  Wie dramatisch und vor allem sich selbst beschleunigend die Auswirkungen sein können, das lässt sich beispielsweise anhand der Veränderungen in polaren Permafrost-Gebieten wie beispielsweise der kanadischen Arktis ablesen. Denn hier sorgt der Klimawandel dafür, dass Permafrostgebiete, die sich in der letzten Eiszeit oder kurz danach gebildet haben, immer weiter auftauen und die darin wie in einer gigantischen Tiefkühltruhe konservierten organischen Sedimente freigeben. Mit verheerenden Folgen. Das kohlenstoffhaltige Material wird durch Mikroorganismen zersetzt und gigantische Mengen an Kohlendioxid und Methan entweichen in die Atmosphäre. (Mehr zur Drohnen-gestützten Analyse von Treibhausgasemissionen über Permafrostgebieten lesen Sie in Drones-Ausgabe 2/2020) Experten gehen davon aus, dass bis zu 1.500 Gigatonnen Kohlenstoff in den Permafrostgebieten, die etwa 25 % der freiliegenden Landflächen der Nordhalbkugel ausmachen, gebunden sind. Und damit fast doppelt so viel, wie derzeit in der Atmosphäre zu finden ist. Die Treibhausgase beschleunigen die Erderwärmung, was wiederum das abschmelzen von Permafrost-Gebieten zur Folge hat. Ein fataler Teufelskreis fürs Weltklima.

Vor Ort und weltweit

Ein solches, von der globalen Erwärmung betroffenes Gebiet ist die kanadische Arktis. Hier sind Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts bereits seit einigen Jahren regelmäßig in der Region rund um die Gemeinde Aklavik aktiv, weshalb von dort aus auch ein hoch spannendes neues Projekt unter Beteiligung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) seinen Ursprung nehmen wird. Ein Projekt, in dem neben dem Heidelberg Institute for Geoinformation Technology sowie deutschen Schülerinnen und Schülern auch Drohnen eine zentrale Rolle einnehmen werden.

Foto: Alfred-Wegener-Institut / Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt

Ziel von „Undercover Eisagenten“ des DLR-Instituts für Datenwissenschaften ist es, die Datengrundlage zu auftauendem Permafrost mit Hilfe von hochauflösenden Drohnen- und Satellitenbildern gemeinsam mit Bürgerwissenschaftlern, insbesondere Schülern, zu verbessern. Und das auf beiden Seiten des Atlantiks. So sollen Bewohner der nördlich des Polarkreis gelegenen 600-Seelen-Gemeinde Aklavik im Sommerhalbjahr mit Hilfe von DJI-Drohnen zirka 10 Quadratkilometer Fläche befliegen. Die so gewonnenen, hochauflösenden Bilddaten werden mittels photogrammetrischer Verfahren sowohl zu einem dreidimensionalen Oberflächenmodell als auch einem Gesamtbild zusammengesetzt, das die Basis für die spätere Analyse durch Schülerinnen und Schüler aus Kanada und Deutschland sein soll.

Aber was sollen die sogenannten „Bürgerwissenschaftler“ – denn neben Jugendlichen können über die App MapSwipe natürlich auch Erwachsene zum Erfolg des Projekts beitragen – eigentlich suchen? Woran erkennt man Permafrost-Zonen, die durch eine bis zu 2 Meter dicke Auftauschicht geschützt unter der Oberfläche bis in mehr als 1.000 Meter Tiefe ragen? „Permafrost im Boden ist anhand spezifischer Erscheinungen an der Bodenoberfläche erkennbar. Am prominentesten sind die Polygonstrukturen, die durch wiederholte Schmelz- und Gefrierprozesse entstehen“, erklärt apl. Prof. Dr. Christian Thiel, Teilprojektleiter und Wissenschaftler in der Abteilung Bürgerwissenschaften des DLR-Instituts für Datenwissenschaften. „Dabei reiht sich Polygon an Polygon, wobei die Begrenzung jedes Polygons gleichzeitig die Begrenzung des Nachbarpolygons darstellt. Diese Muster kennt man auch von erstarrtem Basalt in Form der Basaltsäulen. Bei degradierten Permafrostgebieten sind diese Muster weniger ausgeprägt, verschwinden ganz und es kommt zu größeren Abbrüchen an Hangkanten. Es können auch Thermokarstseen entstehen. Diese Veränderungen können innerhalb weniger Jahre geschehen und mit ein wenig Übung lernt man schnell, den Unterschied zwischen intaktem und geschädigtem Permafrost zu erkennen.” (Mehr zum Thema: Wie das Helmholtz-Zentrum Potsdam/Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ) einen Wingcopter mit Treibhausgas-Sensorik nutzt)

Für immer verloren

Bei der extremen Kälte des arktischen Winters zieht sich der gefrorene Boden zusammen und es entstehen feine Risse. In diese dringt bei Tauwetter Schmelzwasser ein, das in den Permafrostschichten gefriert, sodass Stück für Stück und im Lauf vieler Jahre vertikale Eiskanäle entstehen. In den Sommermonaten sind die so entstehenden Polygon-Strukturen aus der Luft gut sichtbar. Verschwindet der Permafrost beziehungsweise wächst die Auftauschicht so stark an, dass diese auch im Winter nicht mehr vollständig durchfriert, verschwinden auch die charakteristischen Landschaftszeichnungen. (Video-Tipp: Permafrost – Was ist das?)

Neben 14 anderen so genannten Citizen Science-Projekten wird auch „Undercover Eisagenten“ in den kommenden Jahren vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Bei Projekten der Bürgerforschung werden Bürgerinnen und Bürger selbst zu Forschenden, indem sie ihre Expertise und ihr Erfahrungswissen einbringen. Dabei erfahren sie aus erster Hand, wie Wissenschaft funktioniert. Gleichzeitig erhält die Wissenschaft Zugang zu neuen Ideen, Perspektiven und Daten. Zudem wird der Wissenstransfer in die Gesellschaft beschleunigt. Projekte, von denen insbesondere Schülerinnen und Schüler profitieren können. „Deutsche Schüler erfahren aus erster Hand, dass die Klimakrise in anderen Regionen der Welt schon deutlich umfassendere Auswirkungen hat, als hierzulande. Sie bekommen Wissen vermittelt, wie sensibel ein spezifisches Ökosystem auf die globale Erwärmung reagiert. Diese Erkenntnis ist enorm wichtig um ein Gefühl dafür zu entwickeln, was globale Erwärmung überhaupt bedeutet“, erklärt apl. Prof. Dr. Christian Thiel. „Viele Menschen wissen dies, sind aber nicht bereit, ihr Handeln zu ändern, da dies zunächst Aufwand oder möglicherweise eine Reduzierung von Komfort bedeutet. Was wir also benötigen ist Überzeugung durch Verstehen. Gleichzeitig hilft das Projekt der Permafrostforschung. Wir hoffen und gehen davon aus, dass durch diese Symbiose aus Lernen und Forschen, aus dem Zusammenspiel von Zivilgesellschaft und Forschungseinrichtungen, Großes entsteht.”  

Lese-Tipp:

Mehr zum Thema „Undercover Eisagenten“ und ein Interview mit Dr. habil. Christian Thiel lesen Sie in der nächsten Ausgabe des Magazins Drones. Heft 3/2021 ist ab dem 29. April 2021 im Handel oder direkt unter www.drones-magazin.de/shop erhältlich.




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