Der Traum vom (ewigen) Fliegen
Dass Drohnen – über große Distanz aus einem Kontrollzentrum überwacht – viele Aufgaben automatisiert erledigen können, ist nichts Neues mehr. Nach getaner Arbeit kehren die Systeme in ihren Hangar zurück, wo die Akkus geladen und Daten ausgelesen werden können. Im Umfeld der Syddansk Universitet im dänischen Odense arbeitet man nun daran, die Rückkehr in den Hangar weitgehend überflüssig zu machen. Die Idee: Eine Drohne, die sich zum Aufladen einfach an die nächste Überlandleitung hängt.
Von Jan Schönberg
Hochspannungsleitungen gehören zur kritischen Infrastruktur und müssen regelmäßig inspiziert werden. Bereits seit einigen Jahren arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überall auf der Welt an Ideen und Konzepten, wie Drohnen an dieser Stelle zur Effizienzsteigerung beitragen können. Beispielsweise im 2017 in Dänemark gestarteten Projekt „Drones4Energy“. Dessen Ziel war es, ein autonom und kontinuierlich arbeitendes Drohnensystem zu entwickeln, mit dem Stromnetzbetreiber ihre Anlagen automatisiert überwachen könnten. Und das häufiger sowie präziser als mit herkömmlichen Methoden.
„Stromtankstelle“
Dabei beschäftigte man sich mit der Frage, wie die unbemannten Systeme möglichst effizient geladen werden könnten, ohne zu viel wertvolle Betriebszeit bereits für Hin- und Rückflug zu einer Lademöglichkeit aufbringen zu müssen. Eine fast schon absurde Situation. Denn in unmittelbarer Nähe der Drohnen fließt in einem solchen Betriebsszenario wirklich mehr als genug elektrische Energie. So kam das am Projekt beteiligt Team der Syddansk Universitet um Professor Emad Ebeid auf die eigentlich naheliegende Idee, Überlandleitungen als „Stromtankstelle“ zu nutzen.
Ein Gedanke, der sich zwar nicht direkt realisieren lies, sich aber nachhaltig in den Köpfen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verfestigte. Und an der im Folgeprojekt „Drones4Safety“ weiter gearbeitet wurde. Dabei ging es darum, kollaborativ agierende UAS zu entwickeln, die ihre Akkus selbständig laden und somit eine dauerhafte Überwachung von Schienentrassen oder Straßen ermöglichen würden. Kurz gesagt: Der Traum vom ewigen Fliegen sollte Wirklichkeit werden.
Mithilfe eines Kunststoffgreifers hängt sich die Drohne an das Stromkabel, sodass kein direkter Energiefluss entstehen kann
„Spin-outs Denmark“
Was in den Forschungsprojekten begonnen wurde, wird auch nach deren Abschluss weiter vorangetrieben. Auf diese Weise soll die Basis für ein eigenständiges Geschäftsmodell entstehen. Nach dem Ende von Drones4Safety im vergangenen Jahr startete Nicolaj Haarhøj Malle – unterstützt von seinem Mentor Emad Ebeid – mit dem „Spin-outs Denmark“-Programm den Versuch, aus der Idee einen Business Case zu machen. Im Rahmen dieser einjährigen Absolventenförderung lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie die eigene Forschung in ein funktionierendes Unternehmen überführt werden kann. Technologisch hat man seine Hausaufgaben auf jeden Fall schon einmal gemacht. Aktuell sucht man daher nach Investorinnen und Investoren, die den weiteren Weg bis zur Marktreife ermöglichen. Grundsätzliches Interesse gibt es, Anfragen kommen aus aller Welt. Denn die Möglichkeiten, die eine selbstladefähige Drohne bietet, sind enorm.
Unterschreitet die Batteriespannung einen bestimmten Schwellenwert, macht das UAS sich eigenständig auf die Suche nach einer geeigneten Stromleitung, indem die von einer Bordkamera aufgenommenen Umgebungsbilder analysiert werden. Möglich macht dies eine speziell trainierte KI. Hat das System eine „Tankstelle“ ausgemacht, nähert es sich von unten dem per LiDAR-Sensor detektierten Kabel. Ist der Kontakt hergestellt, schließt ein elektromagnetischer Mechanismus einen isolierten Greifer, mit dem sich die Drohne an der Leitung festhält.
An einer eigens errichteten Testeinrichtung wird an der Optimierung der neuen Technik gearbeitet
Unbegrenzt
Der eigentliche Ladevorgang erfolgt dann induktiv, also ohne direkten Kontakt zwischen Fluggerät und Stromleitung. Nur so ist es möglich, auf das zusätzliche Gewicht eines Transformators zu verzichten, der die gigantische elektrische Spannung auf ein „erträgliches Maß“ reduziert. Je nach Stromstärke dauert es von einigen Minuten bis zu mehreren Stunden, ehe die Akkus wieder gefüllt sind und die Drohne ihren Flug fortsetzen kann. Solange also eine geeignete Leitung in Reichweite ist, könnte ein derart ausgestattes UAS prinzipiell mit unbegrenzter Reichweite agieren und komplette Trassenverläufe inspizieren oder Überwachungsmaßnahmen durchführen. Zum Beispiel im Rahmen der Waldbrandfrüherkennung, bei Such- und Rettungsmissionen oder zum Bestands- sowie Wachstumsmonitoring in der Land- und Forstwirtschaft.
Fotos: Syddansk Universitet