Suche nach Brunnenstandorten
Wer wissen will, was sich unterhalb der Erdoberfläche verbirgt, der muss ein Loch graben und nachsehen. Zumindest früher einmal. Denn die Erkundung von bestimmten Untergrundverhältnissen gelingt längst nicht mehr nur mit Bagger oder Spaten, sondern auch aus luftigen Höhen. Und wo bislang vor allem Helikopter zum Einsatz kamen, können mittlerweile Drohnen-basierte Verfahren für erhöhte Kosteneffizienz und verringerte Lärmbelästigung sorgen.
Von Jan Schönberg
Kein Trinkwasser ohne Brunnen. So die simple Wahrheit in der Freien und Hansestadt Hamburg. Denn die Einwohner von Deutschlands zweitgrößter Stadt und einiger Umlandgemeinden werden ausschließlich über Grundwasservorkommen versorgt. Mehr als 450 Brunnen betreibt das städtische Unternehmen Hamburg Wasser, in dessen Zuständigkeitsgebiet mehr als 2,2 Millionen Menschen leben. Damit diese auch weiterhin ausreichend Trinkwasser erhalten und um Verbrauchsspitzen in heißen Sommern zu bewältigt, müssen bestehende Brunnen instand gehalten und neue erschlossen werden. Denn aufgrund natürlicher Alterungsprozesse sinkt die Ergiebigkeit von Brunnen im Laufe ihrer Nutzungszeit. Um auf den wenigen freien Flächen im Westen der Elbmetropole möglichst optimale Brunnenstandorte zu identifizieren, wurde im Hamburger Stadtteil Sülldorf nun erstmals eine Drohne eingesetzt.
Kompliziertes Verfahren
Die Suche nach einem Areal für den Neubau eines Brunnens ist komplex. Da wäre zum einen die Konkurrenz mit anderen Nutzungsinteressen, zum anderen müssen geologische Besonderheiten berücksichtigt werden. Ein Beispiel: Unterhalb der Hansestadt haben sich vor Millionen Jahren Salzstöcke gebildet, die das Grundwasser natürlich nicht beeinträchtigen dürfen, wenn dieses für die Aufbereitung in einem der 17 Hamburger Wasserwerke geeignet bleiben soll. Zudem müssen frühere, aktuelle und sogar potentielle menschengemachte Kontaminierungen – beispielsweise durch konventionelle Landwirtschaft oder auch Industrieproduktionen – berücksichtigt werden.
Im konkreten Fall im westlichen Stadtteil Sülldorf und im Einzugsgebiet des Wasserwerks Bauersberg kommen noch weitere Spezifika hinzu. Denn hier haben es die Geologen mit sehr heterogenen Formationen im Erdreich zu tun. Aufgrund von Vereisungen lag die Region innerhalb der letzten 300.000 Jahre immer wieder im Bereich von Eisrandlagen. Dadurch wurden die Bodenschichten gestaucht und es konnten sich sogenannte steilstehende Schichtlagen herausbilden, was nach Angaben von Hamburg Wasser die Suche nach Brunnenstandorten erschwert.
Semi-Airborne-System
Nachdem zwische 2018 und 2020 bereits geoelektrische und seismische Untersuchungen durchgeführt wurden, folgten nun geomagnetische Messungen. Diese basieren auf einem sogenannten Semi-Airborne-System. Denn neben dem Unterhalb der eingesetzten Drohne mitfliegenden Empfänger kommt dabei zwei 600 Meter langen, temporär installierten Stromkabeln zentrale Bedeutung zu. Über Elektroden im Boden wird mit deren Hilfe ein elektromagnetisches Feld erzeugt. Je nach Beschaffenheit des Untergrunds verändert sich das Signal, das vom Empfänger aufgezeichnet wird.
Dafür flog das unbemannte System Anfang März 2022 mit einer Geschwindigkeit von lediglich bis zu 10 Kilometer pro Stunde auf einer GPS-gesteuerten Flugbahn in einer Höhe von 50 Metern ein etwa 1,7 Quadratkilometer großes Gebiet ab. Die auf diese Weise gesammelten Daten dienen zum Aufbau eines dreidimensionalen Untergrundmodells, mit dem Lage und Verbreitung der einzelnen Bodenschichten bis in 150 Meter Tiefe abgebildet werden können. Dadurch lassen sich leichter und präziser die optimalen Standorte für erste Erkundungsbohrungen identifizieren. Entscheidend dafür sind neben der Existenz eines ergiebigen Grundwasserleiters auch eine möglichst gute Abdeckung durch robuste Deckschichten, die das Wasser vor kontaminierenden Einflüssen schützt. Stimmen Menge und Qualität des Grundwassers, kommt ein Standort für einen zukünftigen Brunnenbau infrage.
Fotos: Hamburg Wasser/Ulrich Perrey